Natas12 hat geschrieben:@six:
natürlich ist zunächst das individuum schöpfer von software, literatur, etc. nur agiert dieses nicht in einem "luftleeren" raum - es hat eine bestimmte sozialisation erfahren, es hat bildungseinrichtungen besucht, klassenspezifische erfahrungen gesammelt, die sozusagen die "grenzen des gehirns" festlegen.
Das ist ein recht materialistisches Weltbild, das du da hast. Als erstes möchte ich eine Unterscheidung einführen. "Die Gesellschaft" halte ich für unwahrscheinlich. Vielmehr sehen wir zahlreiche Gruppierungen, die sich hin und wieder in den verschiedensten Bereichen überschneiden und so vielleicht über viele Verbindungsglieder etwas bilden, was man evtl. "die Gesellschaft" nennen könnte. Ich bezweifel aber stark, daß sich der gesamte Komplex auch nur auf eine Sache einigen könnte. Ich rede daher von Gruppen und verabschiede mich von Gesellschaft.
Das es eine wechselseitige Beziehung Gruppe-Individuum-Gruppe gibt, scheint mir offensichtlich, aber ich behaupte sie ist asymetrisch. Vielmehr glaube ich, daß Individuen ihre besondere Schöpferkraft ausüben, indem sie
über den gruppenspezifischen Rahmen hinaus arbeiten. Gruppen verändern sich wegen der Individuen und nicht umgekehrt. Eine genaue Beobachtung der Wissenschaftshistorie leistet da gute Dienste, offenbart sie doch geradezu willkürlich anmutende Vorgänge der Erkenntnis oder platter: des Fortschritts.
bestimmte personenkreise sind durch ihre position privilegiert und von bestimmten praktiken befreit. dadurch sind sie in der lage, dinge zu tun, die andere menschen nicht tun. denn objektiv gesehen hat z.b. jeder die möglichkeit, sich eine schreibmaschine zu kaufen und ein buch zu schreiben. die wenigsten menschen tun das. warum ist das so? weil mit "intentionsloser intentionalität" der lebensstil und die praktiken gewählt werden, die zu einem passen. für bestimmte menschen sind einige dinge undenkbar oder unmöglich.
Du setzt "intentionslose intentionalität" in Anführungszeichen. Ist das ein Zitat oder eine Distanzierung? So oder so, Kannst du mir erklären was das heißt?
Aber: der Punkt des letzten Absatzes wäre? Menschen sind nicht gleich im Sinne sozialer und biologischer Bedingungen. Es gibt keine Gleichheit, jenseits der von Menschen gemachten und diese Gleichheit kann nur Regelgleichheit oder auch Regelgerechtigkeit sein. Regelgleichheit bedeutet, daß jeder eine Schreibmaschine kaufen kann, sie benutzen kann und sonstwas damit machen kann. Sie bedeutet nicht, daß das auch jeder muß. Es ist eine Wahl und sei sie noch so implizit, und Wahl wird als Entscheidung getroffen und nicht, weil es "zu einem pass[t]".
innerhalb dieser grenzen ist man erfinderisch und in seinen handlungen nicht determiniert. nur kommt man über seine grenzen, die man, da man ja nichts anderes kennt, als natürlich ansieht, nicht hinaus.
Meine Meinung dazu ist bekannt. Siehe oben.
insofern sehe ich da keinen widerspruch zu deiner position: es sind individuen, die "schöpferisch" agieren und ihre kreativen leistungen lassen sich nicht aus gesellschaftlichen verhältnissen 1:1 ableiten. aber sie schöpfen sozusagen aus dem "vorhandenen". sie sind frei, das zu tun, was innerhalb ihrer grenzen möglich ist, kommen jedoch nicht darüber hinaus.
Ich habe nichts gegen Grenzen. Aber ich sage, "die Gesellschaft" ist es nicht. Gruppen entwickeln sich nicht einfach so vor sich hin und das Individuum soll als Geworfenes damit zurechtkommen. Gruppen sind Konstrukte der Individuen, sie entstehen aus Interaktion und ob sich ein Individuum mit einer Gruppe identifiziert oder nicht ist eine ganz entscheidend individuelle Frage. Ob es Sitten (oder Grenzen) einer Gruppe akzeptiert ist ganz entscheidend eine individuelle Frage. Insofern kann eine Gruppe ein Individuum garnicht aufhalten (Sanktionsmechanismen mal außer acht lassend), wenn es sich dagegen entschieden hat.
Das erstmal gesagt, muß ich einräumen, daß sich ein bestimmter Trend erkennen läßt, der einen "richtigen" oder "wahren" Weg herrausstellt und soziale Sanktionen kennt, um Konformität zu erzwingen. Der leider kürzlich verstorbene Denker Ivan Illich nannte solche Konstrukte "radikale Monopole". Ich empfehle jedem die Lektüre "Nemesis der Medizin" oder für Kurzstreckenleser "Entschulung der Gesellschaft". Ich denke aber nicht, daß jenes das Gleiche ist, was du meinst.
bezüglich der GPL wollte ich damit ausdrücken, dass sie die kreativen leistungen des einzelnen der gesellschaft zugute kommen läßt, die erst durch ihre struktur dazu beigetragen hat, dass der akteur überhaupt in die lage versetzt wurde, seiner "kreativität freien lauf zu lassen". was diese kreativität dann letztendlich erzeugt, hängt ganz vom individuum ab...
Nun, ich bin auch ohne GPL dazu in der Lage, die kreativen Leistungen einer Vielzahl von Menschen zu genießen. Ich lese ein Buch und profitiere davon, ich kann es anschließend verkaufen oder verbrennen, es steht mir frei. "Die Gesellschaft" profitiert und der Kreative profitiert auch, denn er ist der Rechteinhaber und kann daran verdienen, daß er z. B. Kopien erstellen darf.
Die GPL hat es ja niemanden erst möglich gemacht kreativ zu sein, sonst hätte die Kreativität ihre Geburt erst im letzten Jahrhundert gefeiert, lange nach der Erfindung des Rades, der Schrift oder der Dampfmaschine. Daher auch mein Einwand, die GPL ist eine Nutzungslizenz. Sie bestimmt, wie ich als Nutznießer mit dem Produkt umzugehen habe. Wobei man sich die Perversion des Lizenzgedanken überhaupt erstmal vor Augen führen muß
