owncloud infinity scale: Lizenzsituation

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heisenberg
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owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von heisenberg » 16.09.2024 04:45:16

Hallo zusammen,

ownCloud wird ja in der bisherigen Form nicht mehr weiter entwickelt. Das neue Produkt heisst jetzt owncloud infinity Scale, auch ocis genannt. ocis ist ein Filesharing, was sich ganz genau auf diesen einen Schwerpunkt konzentriert: File Sharing.

Die Lizenz ist gemäß LICENSE-Datei im github-Repository Apache 2.0 (LICENSE-Datei).

Wenn man ocis jetzt aber von owncloud.com herunterladen möchte, dann muss man da noch eine EULA akzeptieren. Diese hier:

https://github.com/owncloud/ocis/blob/m ... -Scale.pdf

Diese EULA liegt auch im Code-Repository drin. (Link siehe oben)

Ohne die EULA wirklich gelesen zu haben, bewerte ich das jetzt mal so:
  • Die EULA enthält deutliche Einschränkungen im Vergleich zur Apache 2.0 Lizenz (z. B. keine kommerzielle Nutzung erlaubt).
  • Wesentliches Merkmal von Open Source ist für mich, dass die Lizenz einmal gewählt wird und fest steht. Sie mag geändert werden, aber das passiert eher sehr selten, und ist vermutlich schwierig bis unmöglich, weil der geänderten Lizenz ja alle bisherigen Beitragenden zustimmen müssen (Vgl. angedachte, aber nie umgesetzte Linuxkernel-Lizenzumstellung von GPLv2 -> GPLv3) Insofern ist es eine hohe Sicherheit, dass ein Projekt immer Open Source bleibt, weil die Lizenz nicht verändert werden kann.
  • Alleine, dass es eine EULA gibt, die vom Charakter her nicht festgeschrieben ist, macht das für OSS-Entwickler absolut unattraktiv, weil jederzeit Änderungen der Herstellerfirma vorgenommen werden können und der Open Source Status nicht gesichert ist.
  • Für mich ist nicht klar, welche der beiden Dokumente (EULA, Apache 2.0 Lizenz) wann Priorität hat und widersprechende Regeln des jeweils anderen Dokumentes überstimmt. D. h. im Zweifelsfall müssen das Gerichte klären. Das ist keine gute Voraussetzung für die Motivation zur Mitwirkung.
Insofern habe ich die Software im Sinne einer Open Source - Nutzung in die Tonne gekloppt, d. h. sowohl aus Nutzersicht, als auch als Entwicklersicht würde die Finger davon lassen.

Wie seht Ihr das?

Grüße,
h.

uname
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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von uname » 16.09.2024 07:15:04

Ich denke es gibt nicht nur ein Problem mit der Lizenz, sondern auch damit wie ownCloud versucht Geld zu verdienen. Gerne kannst du dir das Video Why I forked my own project and my own company ownCloud to Nextcloud (Youtube) dazu anschauen. Das ist schon ein Grund die Finger von der Software ownCloud zu lassen. Mit freier Software hat das nicht mehr viel zu tun. Und Nextcloud wurde bereits im Jahr 2016 von ownCloud geforkt. Extra mit dem Ziel freie Software und der Hauptlizenz AGPL.

An diesem Wochenende wurde im Übrigen Nextcloud Hub 9 / Nextcloud 30 veröffentlicht. Ein Nachteil von Nextcloud ist vielleicht, dass die Standardinstallation bei Nextcloud Files PHP (LAMP-Stack) nutzt. Das ist bestimmt nicht optimal. Aber es gibt kleine und große Installationen, die damit trotzdem gut laufen. Alternativ gibt es das High Performance Backend for Files in Rust. Zudem wird mit Nextcloud 30 eine Zwei-Wege-Synchronisation bei Nextcloud Clients eingeführt. Leider kenne ich mich mit beidem nicht aus. Zudem gibt es auch ein paar neue Features für Nextcloud Files in diesem Release. Nextcloud wird immer besser. Und auch wenn es immer mehr Zeug rund um Nextcloud gibt. Nichts davon muss man installieren. Wobei ich die Standardinstallation mit 600 MB trotzdem schon sehr groß finde, was unter andrem an der App Photo und am der App Text liegt.

Und Nextcloud denkt an die Community aber auch an die Firmen siehe How Nextcloud protects your business from license uncertainty. Nur beides wird die Zukunft von Nextcloud sichern. Falls Firmen mitlesen. Für Firmen sehe ich aktuell nur Nextcloud oder Microsoft 365. Aber bestimmt nicht ownCloud.

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hikaru
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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von hikaru » 16.09.2024 09:17:52

Laut Apache-Lizenz 2.0 müssten alle Teile des Projekts, auf die das EULA wirkt, explizit benannt sein. Den Rest kannst du nach den Bedingungen der Apache-Lizenz verwenden.
Sollte das was nach Abzug des EULA-Teils übrig bleibt nicht ausreichen, um das Projekt sinnvoll zu benutzen, dann dürfte das einen Bugreport/ein Issue wert sein, denn das verstieße vermutlich gegen die Absichten der ursprünglichen Autoren, die ihr Werk unter der Apache-Lizenz veröffentlicht haben.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von uname » 16.09.2024 10:53:24

Die ursprünglichen Autoren von ownCloud haben genau aus den Gründen bereits im Jahr 2016 ownCloud verlassen. ownClouad war schon damals aus Sicht von Open Source nicht zu retten. Wer Open Source unterstützen will, sollte eher nicht auf ownCloud setzen.Und der Antritt zum Neustart mit Nextcloud kam von Erfinder von OwnCloud Frank Karlitschek. Er und ein paar andere Leute haben den Code mitgenommen, der frei war und den Rest neu programmiert.

Man muss aber ehrlich sagen, dass Nextcloud auch nicht rein AGPL / GPL ist bzw. ohne die Nextcloud GmbH kaum funktionsfähig ist auch wenn viele Anwender das annehmen. Die Nextcloud GmbH ermöglicht Push Benachrichtungen und stellt z. B. den Nextcloud AppStore bereit. Für bis zu 500 Benutzer je Nextcloud Instanz jedoch kostenlos siehe Fair use policy.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von heisenberg » 16.09.2024 11:51:53

Mir ist die Entwicklung von nextcloud und auch der Grund für die Abspaltung klar. Auch das Video von Frank Karlitschek habe ich bereits gesehen.

Soweit ich das einschätze ist ocis auch eine komplette Neuentwicklung. Insofern gibt es da vielleicht gar keinen Code mehr aus dem alten nextcloud. (Laut github macht die Programmiersprache PHP von ocis nur noch 13% der Codebasis aus, wohingegen nextcloud ja weitestgehend aus PHP besteht.). Insofern wäre meine nächste Vermutung, dass die EULA den kompletten Code betrifft. Aber im Endeffekt haben doch ein komplett Neues Softwareprojekt, was mit dem ursprünglichen nichts mehr gemein hat.

Auf meinen Beitrag im Heise-Forum hat mir auch ein User Namens "Jörn Dreyer" geantwortet, dass das Projekt ja unter Apache 2.0 Lizenz stünde. Falls dass die Person Dr. Jörn Dreyer ist, dann ist er bei der ownCloud GmbH angestellt.

https://www.heise.de/forum/heise-online ... 4980/show/

Ich könnte mir vorstellen, dass die ownCloud GmbH Ihre eigene Definition von Open Source hat ("Naja, man kann halt den Code sehen") und nicht z. B. die Definition von der OSI meint.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von heisenberg » 16.09.2024 15:47:50

Diese Lizenzgeschichte scheint nur die ocis Serverkomponente zu betreffen.

Mir ist nicht klar, ob ocis deskop client und ocis mobile client überhaupt vom Source Code her zur Verfügung stehen.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von paedubucher » 16.09.2024 21:43:53

Vielen Dank für das Anschauungsmaterial für meinen Unterricht! Ich habe vor einem Jahr ownCloud und Nextcloud angeschaut, um das als "Cloud" mit meinen Schülern in Betrieb zu nehmen. Ich habe mich dann für Nextcloud entschieden und u.a. im Unterricht behandelt, warum die Wahl der AGPL so unglaublich wichtig ist.

Ein Jahr später war's das mit ownCloud, und das davon abgeforkte Nextcloud lebt immer besser.
Habe nun, ach! Java
Python und C-Sharp,
Und leider auch Visual Basic!
Durchaus programmiert mit heissem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von heisenberg » 17.09.2024 22:28:32

Der Ausgangspunkt, von dem wohl die meisten hier kommen ist der, dass Frank Karlitschek in seinem Video gesagt hat: "ownCloud ist doof, die wollen alle nur Big Business und Big Kohle machen und denen ist OSS egal. Deswegen haue ich jetzt hier ab und mach was Eigenes". Insofern gehe ich davon aus, dass die meisten zum "Überbleibsel" ownCloud kein Vertrauen mehr haben, dass die da nochmal vernünftiges Open Source machen.

Grundsätzlich ist für mich da eine gewisse Verwirrung da, weil ...
  • ... der Hersteller das Open Source (Apache 2.0) Produkt ocis und das Lizenzprodukt ocis aus dem gleichen Github-Repository baut. Deswegen liegt im Github - Repo auch die EULA drin rum. Die EULA hat aber wohl nur Gültigkeit für die fertigen Pakete, die man vom Hersteller direkt herunterlädt
  • ... ich den Versions- und Projektdschungel noch nicht durchblicke: Es gibt Clients für Android/Linux/Windows/Mac die unter GPL stehen. Es gibt ein Legacy ownCloud, was nicht mehr weiter entwickelt wird. Es gibt das ownCloud infinite Scale, was wohl der neue Server ist und auf der Webseite ist dann die Rede von ownCloud Standard (was auf deren Webseite unter AGPLv3 stehend benannt wird) und ownCloud Enterprise. Das bekomme ich alles nicht richtig einsortiert und ich weiss nicht, ob das jetzt auch schon alle Softwareprojekte der Firma zum Thema ownCloud abdeckt.
Aber so grundsätzlich könnte dass auch einfach sein, dass die jetzt ein neues Server Produkt haben, das unter Apache 2.0 Lizenz steht und Clients die unter GPL stehen. Dazu stellen die dann Ihre kostenpflichtigen Enterprise-Ergänzungen und Softwarevarianten, die die halt separat bauen und als kommerzielle Versionen verkaufen. Wenn das so ist, dann wäre das ja durchaus eine brauchbare Open Source Software, die als Teil von dem Ganzen zur Verfügung steht.

Ich vermute die haben ocis auch nur deswegen entwickelt, weil die von der GPL weg kommen wollten zu etwas anderem. Das andere ist ja jetzt vielleicht die Apache 2.0 Lizenz.

Nachtrag

So viel Unterschied zwischen nextcloud und owncloud sehe ich da jetzt nicht. nextcloud hat auch kostenpflichtige Enterprise Versionen. Nur das nexcloud halt insgesamt viel besser vorwärts zu kommen scheint. Sowohl in der OSS Variante als auch in der enterprise Variante.
Zuletzt geändert von heisenberg am 17.09.2024 22:42:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von Livingston » 17.09.2024 22:41:17

Spinnen wir den Gedanken mal weiter: Ich schnappe mir den Inhalt des github-Reps von ownCloud infinite Scale, kompiliere das Ganze und erhalte:
* Funktionierende Binaries
* Eine EULA, die mir die kommerzielle Weitergabe der Binaries untersagt.
Kann es sein, dass das der ganze Clou ist? Sources kann ich quer durch die Weltgeschichte schieben, aber die resultierenden Binaries darf ich nicht verkaufen. Wenn ja, warum schreibt man das nicht übersichtlich in eine einzige Lizenz?
Der Hauptunterschied zwischen etwas, was möglicherweise kaputtgehen könnte und etwas, was unmöglich kaputtgehen kann, besteht darin, dass sich bei allem, was unmöglich kaputtgehen kann, falls es doch kaputtgeht, normalerweise herausstellt, dass es unmöglich zerlegt oder repariert werden kann.
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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von heisenberg » 17.09.2024 22:45:28

Livingston hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
17.09.2024 22:41:17
Spinnen wir den Gedanken mal weiter: Ich schnappe mir den Inhalt des github-Reps von ownCloud infinite Scale, kompiliere das Ganze und erhalte:
* Funktionierende Binaries
* Eine EULA, die mir die kommerzielle Weitergabe der Binaries untersagt.
Kann es sein, dass das der ganze Clou ist? Sources kann ich quer durch die Weltgeschichte schieben, aber die resultierenden Binaries darf ich nicht verkaufen. Wenn ja, warum schreibt man das nicht übersichtlich in eine einzige Lizenz?
Das ist ja der Punkt der Verwirrung: Was soll diese EULA da? Es ist wohl so, dass die da nur rumliegt, damit die die in Ihre Enterprise Version reinbauen können. (Hat mir zumindest einer in einem Bugreport da geschrieben.[1]) Aber die hat ansonsten gar nix mit dem Paket zu tun und sie gilt v. a. nicht für das OSS Repo. Sie liegt ja schließlich nicht im Hauptverzeichnis rum, sondern um Unterverzeichnis "assets".

[1] https://github.com/owncloud/ocis/issues/6570

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Re: owncloud infinity scale: Lizenzsituation

Beitrag von uname » 20.10.2024 07:41:37

Nach dem letzten Beitrag gab es am 18. September 2024 in dem genannten GitHub-Issue noch Einträge. Zudem wurde der Issue bzgl. ownCloud EULA mittlerweile geschlossen ohne dass ich eine Lösung erkennen kann.
https://github.com/owncloud/ocis/issues/6570

Ich habe es mittlerweile so verstanden, dass vielleicht nur die stablilen, QS-gesicherten Binärversionen der EULA unterliegen. Ich stimme aber zu, dass die EULA dann nichts in den GitHub-Repositories zu suchen hat. Aber scheinbar hat niemand bei ownCloud ein Interesse daran die Community korrekt aufzuklären.

Mittlerweile wurde Nextcloud 30.0.1 veröffentlicht. Läuft sehr gut. Bei Nextcloud sind die Einschränkungen besser wenn aber auch nicht optimal beschrieben. Auch Nextcloud hat scheinbar kein wirkliches Interesse vollständig transparent zu sein.

- Fair use policy - 500 Benutzer je Nextcloud-Instanz, anschließend Einschränkungen in der Verwendung von Nextcloud GmbH Infrastruktur (Push-Dienste, Nextcloud AppStore)
- Nextcloud AIO mit 100 Benutzer je Nextcloud-Instanz siehe entrypoint.sh (sollte man ändern können und dürfen)
- Lizenzeinschränkungen bei Nextcloud Office (Collabora Online) und ONLYOFFICE (Dritthersteller-Lizenzen)
- evtl. weitere (kenne mich mit High Performance Backends (HPB) für Dateien und/oder Talk nicht aus)

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