Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

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ralli
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Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von ralli » 02.09.2024 10:31:09

Vorab, ich respektiere den technologischen Fortschritt, mag aber keine Zwänge.
Deshalb mal meine Frage:

Ist ein Leben ohne Smartphone eigentlich noch möglich? Oder ist eine berechtigte Verweigerungshaltung extrem kontraproduktiv? Das Deutschland in der Digitalisierung weit abgehangen ist, ist ja ein offenes Geheimnis.

Hier ein ineressanter Link zu dem Thema, er ist aktuell:

https://netzpolitik.org/2024/digitalzwa ... schliesst/

Wenn ein technologisch umgesetzter Fortschritt zu eine Ausgrenzung der Teilhabe in unserer Gesellschaft führt, finde ich das sehr bedenklich. Was ist Eure Meinung dazu?

Gruß ralli

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cosinus
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von cosinus » 02.09.2024 10:50:29

Es wird zunehmend schwieriger. Habe da adhoc ein Beispiel: in den Urlaub fliegen. Bei manchen Airlines geht der Check-In nur noch per App auf dem Smartphone. Oder man muss es per Computer machen und dann die Bordkarte ausdrucken. (Wenn ich das richtig in Erinnerung habe)

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Draal
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Draal » 02.09.2024 11:07:57

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 10:31:09
Ist ein Leben ohne Smartphone eigentlich noch möglich? Oder ist eine berechtigte Verweigerungshaltung extrem kontraproduktiv?
In Deutschland ist ein Leben ohne Smartphone durchaus möglich. Seit ich einen Aufhebungsvertrag unterschrieben habe liegt meines eigentlich nur noch auf dem Küchentisch herum. Wenn ich rausgehe, bleibt es dort liegen und mir fehlt nichts.
Wenn ich aber z.B. ein Auto anmelde, muss ich mir die Kennzeichen auf dem entsprechenden Amt siegeln lassen. In Frankreich ist das eine Arbeit von 10 Minuten am PC. 8)

Vor Jahren hatte ich mal ein Samsung Wave, was sogar den Vollwaschgang einer Waschmaschine überstand. :roll: Dafür gab's eine App, die beim sms schreiben die hintere Kamera einschaltete. Das Bild wurde dabei über dem Text eingeblendet. Wenn ich heute Menschen dahin wandeln sehe, wäre so etwas zu empfehlen. :)

Naja, es wird ja nicht bei Smartphones bleiben. Es gibt z.B. Alexa und Elon Musk arbeitet ja seit 9 Jahren mit Neuralink an Schnittstellen zum menschlichen Gehirn. Dann sagt man nicht mehr 'Alexa Licht aus', sondern man denkt es. :?
So ein 'Horrorszenario' wird ja auch in solchen Filmen wie Anon, oder Minority Report gezeigt.

Vor diesem Hintergrund hat sich unsere Gesellschaft schon jetzt stark verändert. Früher hat man im Zug gesessen und mit etwas Glück saß man neben einem gesprächsbereiten Mensch, oder man schwieg. Heute sind viele am Reden, nur nicht mit den Menschen neben ihnen.
Ich lasse mir spaßeshalber die monatlichen Positionsangaben meines Smartphones von google übermitteln. Wahnsinn, wat'ne Datenkrake. Und ich empfinde allein diese Datensammlung als einen Angriff auf die Freiheit.

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ralli
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von ralli » 02.09.2024 11:11:05

cosinus hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 10:50:29
Es wird zunehmend schwieriger. Habe da adhoc ein Beispiel: in den Urlaub fliegen. Bei manchen Airlines geht der Check-In nur noch per App auf dem Smartphone. Oder man muss es per Computer machen und dann die Bordkarte ausdrucken. (Wenn ich das richtig in Erinnerung habe)
Ja, das kann ich mir gut vorstellen.

Wenn denn die vorhandene digitale Infrastruktur reibungslos funktionieren würde. Leider ist das ja auch nicht der Fall.

Kleines Beispiel:

Meine Frau fuhr heute morgen mit dem Bus hier ins Zentrum, um einige Dinge zu erledigen. Normalerweise dauert das höchstens 1 Stunde. Eben rief sie an, das sie erst um 12 Uhr zurück wäre, da wieder ein mal der Bus ausgefallen wäre. Busausfälle häufen sich in der letzten Zeit und sind hier mittlerweile an der Tagesordnung. Nun werden aus einer Stunde bereits 3 Stunden, es sind also Zeitdiebe. Nun dachte ich, das es an der Zeit wäre, das mal zu melden. Zunächt gab bei der VOS Zuständigkeitsgerangel, so das ich das Kontaktformular benutzen wollte. Das aber funktionierte nur mit einem Google Mail Konto. Also wieder nichts. Natürlich bin ich nicht so naiv, das ich denke, das sich duch meine Beschwerde irgendwas ändern würde. Jetzt wieder ein KFZ anzuschaffen ist für uns ja keine Option. Aber auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, auch keine mehr. Man ist dann hilflos einer Situation ausgeliefert und kann nichts ändern, außer diese untragbaren Zustände zu akzeptieren.

Gruß ralli

HumiNi
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von HumiNi » 02.09.2024 11:16:40

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 10:31:09
Ist ein Leben ohne Smartphone eigentlich noch möglich? Oder ist eine berechtigte Verweigerungshaltung extrem kontraproduktiv?
Es ist definitiv möglich. Ich sehe es am Beispiel ein sehr gut bekannten 81-järigen Dame. Sie hat kein Smartphone, sondern (für Notfälle) ein klassisches "Senioren-"Handy. Sie besitzt das D-Ticket "analog" und ist viel unterwegs (dank des D-Tickets). Für Bankgeschäfte geht sie in die einzige Filiale in der Stadt bzw. an das SB-Terminal. Für Fernverkehrsreisen holt sie sich das Ticket am Bahnhof. Für sie alles kein Problem.

Trotzdem hat sie ein Notebook und Internetzugang, jedoch keinen E-Mail-Account. Sie nutzt den Zugang zur digitalen Welt, um zu recherchieren, z.B. wohin die nächste Reise hingehen soll.
Es macht übrigens viel wacher, den Kaffee über die Tastatur zu kippen, statt ihn zu trinken.

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GregorS
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von GregorS » 02.09.2024 11:29:31

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 10:31:09
... Ist ein Leben ohne Smartphone eigentlich noch möglich? ...
Ja. Aber es wird tatsächlich immer häufiger zum „Behinderungsmerkmal“, wenn man keins hat. Als ich vor einiger Zeit mal spontan Lust auf einen alkoholischen „Sommer-Drink“ hatte, erfuhr ich nach dem Hinsetzen in einer „Lounge“, dass man hier keine Getränkekarte mehr hat, sondern die Auswahl auf seinem Smartphone sehen könne, wenn man den auf den Tisch geklebten QR-Code scannt.
Na gut, dann gab's halt einen „Cuba Libre“, das bekommt in einer hippen Lounge jeder Depp hin. Sogar, wenn er ein Smartphone besitzt :-)
Wenn man keine Probleme hat, kann man sich welche machen. ("Großes Lötauge", Medizinmann der M3-Hopi [und sog. Maker])

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thunder11
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von thunder11 » 02.09.2024 11:33:10

Draal hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 11:07:57
Ich lasse mir spaßeshalber die monatlichen Positionsangaben meines Smartphones von google übermitteln. Wahnsinn, wat'ne Datenkrake. Und ich empfinde allein diese Datensammlung als einen Angriff auf die Freiheit.
Die Frage, die sich mir dann als erstes stellt: Warum beschwert man sich über einen Dienst, dem man freiwillig ohne Zwang auf
seinem Handy wirken lässt :?: :facepalm:

Das labern über "Freiheit" und "Privatsphäre" finde ich gerade in einem Forum, in dem die meisten professionelle IT - Menschen sind
oder waren als ziemlich verstörend.

Ich hab seit 10 Jahren keinen Google- Dienst auf dem Smartphone und weiß auch nicht wofür ich die ganzen Alexa's" / KI- Tools und ähnliches bräuchte.

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thunder11
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von thunder11 » 02.09.2024 11:39:16

GregorS hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 11:29:31
dass man hier keine Getränkekarte mehr hat, sondern die Auswahl auf seinem Smartphone sehen könne, wenn man den auf den Tisch geklebten QR-Code scannt.
Na gut, dann gab's halt einen „Cuba Libre“, das bekommt in einer hippen Lounge jeder Depp hin. Sogar, wenn er ein Smartphone besitzt
Ich wäre aufgestanden und gegangen, wenn der Kellner mich nicht "normal" bedienen will.

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heisenberg
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von heisenberg » 02.09.2024 11:43:25

GregorS hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 11:29:31
Als ich vor einiger Zeit mal spontan Lust auf einen alkoholischen „Sommer-Drink“ hatte, erfuhr ich nach dem Hinsetzen in einer „Lounge“, dass man hier keine Getränkekarte mehr hat, sondern die Auswahl auf seinem Smartphone sehen könne, wenn man den auf den Tisch geklebten QR-Code scannt.
Na gut, dann gab's halt einen „Cuba Libre“, das bekommt in einer hippen Lounge jeder Depp hin.
Ja. Das Phänomen "Keine Speisen-/Getränkekarte" nimmt auch hier zu. Meine Partnerin und ich lassen uns dann üblicherweise von der Bedienung das Smartphone für die Bestellung geben, was sich insgesamt wenig komfortabel anfühlt und dementsprechend der letzte Besuch in so einem Etablissement ist.

---

Das Phänomen scheint um sich zu greifen, weil es viel einfacher und kostengünstiger ist, vieles mit dem Smartphone zu regeln, wenn das Smartphone ja ohnehin ermöglicht werden muss. Analog ist weniger personalintensiv, .... Die allseitige, gespielte Empörung über die vollkommen unvorhersehbaren katastrophalen Konsequenzen beim großflächigen Internetausfall kommt dann bei den ersten Warnschüssen, wenn das Internet dann halt mal eben nicht zur Verfügung steht und alles still steht.

Die Zukunft wird definitiv irgendwann wieder analog werden ...

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GregorS
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von GregorS » 02.09.2024 12:34:01

heisenberg hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 11:43:25
... Das Phänomen "Keine Speisen-/Getränkekarte" nimmt auch hier zu. ...
Na, wenigstens ist das keine hiesige exotische Rarität.
Die Zukunft wird definitiv irgendwann wieder analog werden ...
Und Leute, die auch ohne Händi können, kommen dann GANZ GROSS raus! Jawoll!
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Draal
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Draal » 02.09.2024 14:41:28

thunder11 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 11:33:10
Die Frage, die sich mir dann als erstes stellt: Warum beschwert man sich über einen Dienst, dem man freiwillig ohne Zwang auf
seinem Handy wirken lässt :?: :facepalm:
Reine Neugierde und keine Beschwerde. :) Das Smartphone liegt auf dem Küchentisch und wenn ich verreise, schalte ich dieses Tracking aus. :wink:

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 02.09.2024 14:54:42

Bei der Speisekarte wirkt es tatsächlich absurd und eher erzwungen. Bei Tickets und anderen Dingen (die nicht statisch sind) ist es natürlich eine andere Hausnummer.

De facto könnte man das ja auch ausweiten:
Z.B. Zwang zum Bankonto - früher gab es die "Lohntüte" und sogar Mieten wurden oft bar bezahlt.

Es wäre natürlich möglich, analog aufrecht zu erhalten, wenn man die entsprechenden Mehrkosten umlegen würde. Das Problem ist aber, dass das meist nicht akzeptiert wird und zu einem "Diskriminierungs"-Aufschrei führt. Daher wird es meist gleich ganz abgeschafft.

dasebastian
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von dasebastian » 02.09.2024 17:19:45

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 10:31:09
Ist ein Leben ohne Smartphone eigentlich noch möglich?
Diese Frage wird ja hier auch regelmäßig neu diskutiert.

Mein Senf in aller Kürze: Ja.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 03.09.2024 10:38:44

https://www.golem.de/news/retro-kodaks- ... 79731.html
Fast acht Jahre nach der Ankündigung kommt Kodaks neue Super-8-Kamera mit digitalen Elementen doch noch heraus – für einen äußerst steilen Preis.
Hier schon mal eine Lösung für die Retro-Forenteilnehmer im Bereich Video ;)

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Tintom » 03.09.2024 11:32:03

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
02.09.2024 14:54:42
Bei der Speisekarte wirkt es tatsächlich absurd und eher erzwungen.
Man muss das im Kontext sehen: Der Trend zu digitalen Speisekarten kam in der Coronazeit auf, weil man das Übertragungsrisiko reduzieren wollte. Bei meinem letzten Restaurantbesuch ist mir auch wieder bewusst geworden, warum: Speisekarten werden nie gereinigt. Ich hatte eine Karte erwischt, bei der ich die Speisen der letzten zehn Vorgänger erahnen konnte.

Ob es jetzt hygienischer ist, die Bakterien vom eigenen Smartphone-Bildschirm anzutatschen oder die versiffte Speisekarte anzufassen sei einmal dahingestellt. Jedoch bringe ich bei der ersten Alternative nicht noch mehr Bakterien/Viren in den Kreislauf ein und das für sich genommen ist schon ein gutes Argument für eine digitale Speisekarte.

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Tula
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Tula » 03.09.2024 11:50:50

Digitalisierung ersetzt auch fehlendes Personal: Freunde haben neulich in der Pizzeria nicht nur die Speisekarte am Tablet gelesen, sondern auch vom Tablet bestellt.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von MSfree » 03.09.2024 11:55:28

Tula hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
03.09.2024 11:50:50
Digitalisierung ersetzt auch fehlendes Personal: ..., sondern auch vom Tablet bestellt.
Digitales Bestellen führt aber auch dazu, daß häufiger - vor allem Getränke - nachbestellt wird, was wiederum mehr Personal erfordert.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von heisenberg » 03.09.2024 12:22:21

Tintom hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
03.09.2024 11:32:03
Man muss das im Kontext sehen: Der Trend zu digitalen Speisekarten kam in der Coronazeit auf, weil man das Übertragungsrisiko reduzieren wollte.
Ja.
Bei meinem letzten Restaurantbesuch ist mir auch wieder bewusst geworden, warum: Speisekarten werden nie gereinigt. Ich hatte eine Karte erwischt, bei der ich die Speisen der letzten zehn Vorgänger erahnen konnte.
Das ist bestimmt maßlos übertrieben und nicht der Normalfall.

Ich würde eher sagen, dass wir ein gesellschaftliches Problem mit übertriebener Hygiene haben, was ich schon als neurotisch werte. Kinder werden vermehrt krank, weil sie zu wenig Kontakt mit Keimen aller Art haben (zu viel in der Wohnung, zu wenig Dreck fressen im Sandkasten). Seit wann gibt es überhaupt die Möglichkeit für die moderne Gepflogenheit alle 2 Tage zu duschen?

---

In vielen Fällen würde ich sagen, dass Digitalisierung mehr Aufwand ist, als dass sie spart. Im Bereich Gastronomie war die Digitalisierung allerdings schon vor Corona im Gange. Da hatten halt nur die Bedienungen entsprechende Geräte. Dort beschränkt sich die Umstellung vermutlich auch nur darauf, dass man ein verfügbares System mit Hardware und Software in Betrieb nimmt.
Digitales Bestellen führt aber auch dazu, daß häufiger - vor allem Getränke - nachbestellt wird, was wiederum mehr Personal erfordert.
... was ja problemlos ist. Die Bedienungen skalieren mit den Einnahmen. Sind also mehr Bedienungen notwendig, dann kommt durch diese auch mehr Geld herein. Und am Arbeitsmarkt dürfte da kein Personalmangel sein.
Zuletzt geändert von heisenberg am 03.09.2024 12:28:01, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Tula » 03.09.2024 12:27:06

...nur könnte das Servieren von Robotern übernommen werden.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Tula » 03.09.2024 12:31:35

Die Gastronomie sucht händeringend Personal. Da ist Automatisierung eine Lösung.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von TRex » 03.09.2024 12:57:31

Ich finde, die Frage hat ziemlich viele Facetten.

Wie viele Dienste erfordern ein Smartphone?

ÖPNV, Restaurants (Speisekarte/Bestellung), Flugtickets, .... wurden bereits genannt, wo es sich "ausbreitet"

Warum ist das jeweils so? Wer profitiert?

Wie man an dem Beispiel Speisekarte sieht, ist das nicht nur einseitig beim Betreiber, aber oft - weil so ein Smartphone, unverändert vom Hersteller übernommen, eigentlich nicht mehr dem Modell "Eigentum" entspricht, wo ich alles am Gerät tun darf. Mein ÖPNV-Anbieter will nicht, dass ich am Standort drehen kann (weil darüber die Kosten erfasst werden), Netflix will nicht aufgenommen werden, die Bank will auch irgendwas (vermutlich Zertifizierungsgedöns)... und vielleicht will ein Cafe Personal sparen, oder auch die Kosten für eine neue Speisekarte. Oder abends die Preise erhöhen... oder wie im Fall von Google/Playstore Netzwerk garantiert Werbung ausspielen. Mit der Implikation von letzterem (Personalisierung, Verteilung meiner Telemetriedaten an Dritte) bin ich dann auch raus, aber eben nicht kampflos.

Was heißt das jetzt für Leute ohne Smartphone?

Dass ihnen aus meiner Sicht nichts übrig bleibt als Alternativen oder Workarounds zu suchen und gleichzeitig die Motive zu hinterfragen, warum die Mainstream-Lösung sie ausschließt. Für mein Smartphone gibt es (mit der Standort/ÖPNV-Situation) teilweise berechtigte Gründe, aber ich könnte auch ein analoges Ticket am Automaten kaufen (ich hab aber mein Smartphone dazu gebracht zu funktionieren). Warum die App meiner Krankenkasse nicht funktionieren wollte, versteh ich nicht - witzigerweise gab es auch keine sinnvolle Kontaktmöglichkeit ohne Login, und der im Web erforderte Auth via Smartphone-App. Na gut, dann halt nicht :mrgreen: Wenn es was wirklich wichtiges gibt, gibts ne Hotline. Ist halt auch weniger effizient für die Kasse, aber sie werden garantiert durch Gesetze dazu genötigt.

Der Elefant im Raum: wenn man diese Probleme zu besprechen mit Neusprech sabotiert, gibt es eben eine weitere unnötige Hürde im Prozess der Verbesserung. Die Krankenkasse/... anrufen und mitteilen, dass man kein kompatibles (!!) Smartphone hat, ist einer der vielen Wege zum kleinen Widerstand, wobei ich aber nicht daran glaube, dass man hiermit viel ändert - Netflix kann auf die paar Kröten der Nonkonformisten sicher verzichten. Wäre es die Krankenkasse, die ohne Smartphone keine Rezepte mehr akzeptiert... da wäre dann sicher der juristische Weg gangbar.

Und die Zwischenlösungen?

Ich beschreib das mal aus der Sicht eines nicht konformen Smartphone-Anwenders, was für die Betreiber scheinbar schlimmer ist: wenn ich mich bei Netflix mit einem Problem der Wiedergabe melde, dann wird erst auf die Geräte geschaut - hab ich mehr als einen Haushalt, ist mein Gerät unterstützt (wage bloß nicht von Linux zu sprechen)... und dann erst auf das Problem. Hab ich etwas getan, das die Ziele des Betreibers kompromittiert, wie mein Smartphone gerootet/alternatives OS installiert, erwähne ich das am besten erst gar nicht.
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von unitra » 03.09.2024 13:12:47

Ganz klar ja. Bei den Kindern, auch den eigenen gibt es jetzt den umgekehrten Trend zum Dumbphone. Kein Smartphone. Die 2 Lager gibt es, einfach so. Das Smartphone ist uninteressant.

Bei mir auch. Ich mag das Smatphone nicht, jetzt noch weniger seitdem die Teile 7" Bildschirmgrösse haben.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von heisenberg » 03.09.2024 13:32:45

Tula hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
03.09.2024 12:31:35
Die Gastronomie sucht händeringend Personal. Da ist Automatisierung eine Lösung.
Hmm. Ok. Hatte ich so nicht auf dem Schirm. Aber ich vermute, Corona hat da Spuren hinterlassen. Ein Gewerbe, dass zeitweise mal komplett weg gefallen ist. Da sind dann die Arbeitskräfte in andere Branchen geflüchtet und jetzt sind viele weg.

Nachtrag:

Eine normale Bedienung? Dazu braucht es doch üblicherweise eher gar keine Ausbildung. Habe ich zwischendurch auch schon mal gemacht. Insofern kann ich den Personalmangel da jetzt nicht unbedingt nachvollziehen. Wer natürlich als Restaurant einen gewissen Anspruch hat, möchte da schon erfahrene Leute haben.
Zuletzt geändert von heisenberg am 03.09.2024 13:46:17, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von DaedalusSC2 » 03.09.2024 13:40:14

Ich würde die Frage mit Nein beantworten. Ohne Smartphone ist es nicht mehr möglich. Zeigt der Artikel ja auch sehr schön.
Abgesehen davon, Datenschutzbedenken sind ja gut und schön, aber so eine komplette Verweigerungshaltung ist doch auch irgendwie etwas kindisch, oder?

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Tula » 03.09.2024 13:54:42

Jedenfalls dreht die Welt sich ohne Rücksicht auf Einzelschicksale. Keiner weiß, wie es kommt. Vielleicht steht 'mal in der Zeitung:

"In einem rückständigen Seitenarm der Galaxis befindet sich ein kleiner blauer Planet, dessen kohlenstoffbasierte Lebensformen noch Digitaltechnik verwenden." (frei nach Douglas Adams)

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