Mit den Adventskalender-Türchen vom 14.12.2023 und 15.12.2023 hat "@dasebastian" den WindowManager awesome vorgestellt.
Wie mancher vielleicht mitbekommen hat, habe ich spontan meine Workstation von Mate (finde ich nach wie vor großartig) auf Awesome umgestellt.
Hier nun mein Erfahrungsbericht, der gerne als Inspiration dienen darf.
Hintergrund
Tiling-Window-Manager haben mich bis jetzt zwar immer fasziniert, allerdings fand ich noch keinen Zugang dazu. Bis jetzt ...
Ich bin selbständig, programmiere gerne und meine Workstation ist das Rückrat für meine tägliche Arbeit. Emails, Web-Recherche, Administration, Grafikbearbeitung, Videoschnitt, Programmierung, ... es läuft wirklich einiges über den virtuellen Desktop. Vielleicht bin ich so etwas wie ein Power-User, jedenfalls doch irgendwie ein Individualist.
Ich verbringe viel Zeit am Rechner und was ich hier definitiv brauche ist ein schnelles und stabiles System, auf das ich mich absolut verlassen kann. Zudem habe ich meinen "eigenen Kopf" und konfiguriere alles gerne nach meinen eigenen Vorstellungen ... darum Debian und nun Awesome
Awesome
Wer den vorherigen Abschnitt gelesen hat kann sicher nachvollziehen, warum mich Awesome quasi vom Hocker gehauen hat.
Die Umstellung zum Jahreswechsel bei vollem Schreibtisch war allerdings ... weniger sinnvoll ... kann ich definitiv nicht empfehlen!
Awesome ist ein Window-Manager, bei dem fast alles individuell angepasst werden kann. Der Haken daran ist ... man muss dies auch tun!!!
Ein Betrieb mit der Standard-Konfiguration ist zwar möglich, aber ... naaaa ja (meine Meinung)
Bei Awesome hat man zum Beispiel die volle Auswahl an Fenstermodi, von "floating" bis "tiled", "sticky", "fullscreen", "maximized" und "minimized". Was davon brauche und nutze ich wirklich? Und wenn, wann genau?
Solchen und weiteren Fragen muss man sich zwangsläufig stellen.
Sollen Fenster eine Titelleiste haben, wenn ja wann, und welche Funktionen sollen mir dort zur Verfügung stehen? Und wie soll das Ganze aussehen? Was passiert wenn ich wo klicke? Brauche ich überhaupt die Maus oder mache ich alles mit der Tastatur ... und mit welchen Kombinationen?
Ihr seht schon, der Individualiät und Selbstverwirklichung sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Ja, doch, es gibt Grenzen ... ein paar hab' ich schon entdeckt.
"@dasebastian" sagte, dass man etwa ein halbes Jahr Einarbeitungszeit braucht ... dies kann ich mittlerweile voll und ganz unterschreiben!
Meine Konfiguration ändert oder erweitert sich alle paar Tage und wird vmtl. nie wirklich fertig werden.
Mittlerweile sehe ich Awesome als einen Weg, für den man sich entscheidet ... so wie Linux oder Debian ...
Warnung!
Awesome richtet sich definitiv an Poweruser!
Wer nicht tiefer einsteigen will, dem muss ich von Awesome eher abraten.
Wer sich hingegen die Zeit nimmt und seine grafische Oberfläche komplett individuell einrichten will, für den ist Awesome ein wahres Goldstück!
Bevor man sich für Awesome entscheidet, seien hier ein paar Punkte als Warnung angesprochen:
- Awesome wird mit Lua konfiguriert. Entsprechend muss man sich zwangsläufig mit Lua befassen. Lua ist jetzt nicht die schönste Sprache (ich darf das sagen ), aber sie ist relativ einfach und eröffnet hier enorm viele Möglichkeiten.
- Das Einrichten braucht seine Zeit! Einerseits dauert die Einarbeitung etwas, andererseits muss sich auch vieles erst in der Praxis bewähren.
- Die Umstellung von einem "normalen" Windowmanager zu einem Tiling-Windowmanager ist WIRKLICH groß! Sehr viel größer, als ich anfangs vermutet habe. Seit Jahrzehnten gewohnte Abläufe werden plötzlich auf den Prüfstand gestellt und müssen angepasst werden.
- Keine Desktop-Icons. Es ist zwar möglich Icons auf den Desktop zu zaubern, allerdings ist die Idee eines Tiling-Managers, dass immer die maximale Fläche genutzt wird. Entsprechend sieht man den Desktop-Hintergrund wirklich nur selten, weshalb Desktop-Icons wenig Sinn machen.
- Awesome macht abhängig! Oh ja! Hat man einmal den Desktop komplett nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen konfiguriert ... will man keinen anderen Windowmanager mehr verwenden.
- Es gehört eine gehörige Portion Verrücktheit (ver-rückt = anders) dazu, sich intensiver mit Awesome zu beschäftigen. Ich meine das ernst!
rc.lua
Gestartet habe ich mit der Standard-Konfiguration "/etc/xdg/awesome/rc.lua", welche zum Anpassen nach "~/.config/awesome/rc.lua" kopiert wird.
Was mich hier als Programmierer gleich gestört hat: Eine Config-Datei mit über 1000 Zeilen ... das ist doch total unübersichtlich.
Entsprechend teilte ich die Datei nach Themen in mehrere Dateien auf. Auch entfernte ich alles was ich nicht nutze, das macht die Konfiguration schlanker und übersichtlicher.
Die Layouts habe ich alle durchprobiert und in der Praxis getestet. Effektiv habe ich das "fairv"-Layout überarbeitet und nutze nun nur noch mein "fairw"-Layout zusammen mit "max". Das einzelne Maximieren von Fenstern hat sich nicht bewährt, weshalb dies bei mir mittlerweile komplett deaktiviert ist.
Floating nutze ich hauptsächlich für Dialoge. Nur in diesem Modus haben meine Fenster eine Titelleiste und sind dann immer on-top.
"Sticky" nutze ich nicht, das flog auch komplett raus.
Terminals öffnen sich bei mir immer rechts/unten, während sonstige Fenster immer links/oben eingefügt werden.
Neben den Desktop-Icons verabschiedete ich mich mittlerweile auch von meinem geliebten Light-Theme. Ein dunkles Theme ist nun mal besser für die Augen und sieht doch irgendwie cooler aus.
Auch habe ich versucht eine Konfiguration zu schaffen, die auf all meinen Systemen laufen kann. An der Workstation verwende ich Dualhead und hauptsächlich die Tastatur. Am Laptop Singlehead mit hellem Theme und verwende hier meist die Maus.
Gitlab
Meine Konfiguration steht auf Gitlab zur freien Verfügung.
Wie gesagt ist dies keine fertige Konfiguration, sondern Work-In-Progress. Aber die Dateien können gerne als Inspiration dienen.
https://gitlab.com/MN77/awesomewm-config
Video
Hier noch ein Video, wie mein Desktop jetzt gerade aussieht und funktioniert.
Awesome WM - Stand 21.02.2023
Zwischenfazit
Es war nun doch ein sehr intensiver Weg bis hierher und mittlerweile bin ich mit meiner Konfiguration schon sehr zufrieden.
Trotzdem gibt es noch ein paar Problemstellen und ich ändere immer wieder irgendetwas. Wie gesagt, Awesome ist ein Weg ... vmtl. ein sehr langer Weg
Aber, es macht richtig Freude wenn alles so tut wie man es sich vorstellt. Alles ist zunehmend da wo es hin gehört, kein permanentes Fenster hin und her schieben mehr. Meine Geschwindigkeit und Produktivität hat sich dadurch definitiv verbessert. Dafür ging schon viel Zeit für die Konfiguration von Awesome drauf.
Eines kann ich mittlerweile jedoch mit Sicherheit sagen:
Awesome ist wirklich AWESOME!!!
Fragen sind gerne willkommen.