AxelMD hat geschrieben: 08.10.2019 14:36:01
Bodhi, MX Linux oder Raspbian meinen sie können ein schnelleres Linux für ältere Hardware bauen.
Die entscheidende Frage ist immer, was die Vergleichsbasis ist. In den meisten Fällen kannst du davon ausgehen, dass es irgendein *buntu ist. Da steckt wiederum jede Menge Bloat drin, von dem sich mehr oder weniger viel einsparen lässt, je nachdem wie viel der Nutzer bzw. Distribtor bereit ist, vom *buntu-Komfort zu opfern.
AxelMD hat geschrieben: 08.10.2019 14:36:01
Sollte man das nicht auch mit einem reinen Debian durch entsprechende Paketauswahl hinbekommen?
In den allermeisten Fällen ja.
Ich bin nicht auf dem Laufenden, aber vor rund 10 Jahren gab es eine regelrechte Schwemme von LXDE/Openbox-basierten Distributionen auf Debian- oder Ubuntubasis, die zum Ziel hatten einen "anfängerfreundlichen" Linuxdesktop für schwache Rechner auf die Beine zu stellen. LXDE war damals gerade neu und füllte genau die Lücke zwischen schlanken aber "anfängerunfreundlichen" Windowmanagern und "anfängerfreundlichen" aber eher schwerfälligen Desktopumgebungen. (Etwas später kam das vergleichsweise fette Lubuntu und hat praktisch die gesamte Nische aufgefressen.)
Eine dieser Distributionen war wattOS. Ich war seit den frühen Alpha-Versionen recht aktives Communitymitglied und habe daher Vieles was hinter den Kulissen ablief mitbekommen und hier und da auch mitgestaltet. Bekannter dürfte Crunchbang sein, wovon ich auch ein bisschen mitbekommen habe, weil die Entwicklerteams beider Distributionen sich teils überschnitten haben und dann in der wattOS-Community auch Entwicklungen bei Crunchbang diskutiert wurden.
Ich war damals noch recht grün hinter den Ohren, habe aber auf diesem Weg viel über die Hintergründe des Distributionsbaus gelernt. Meine Quintessenz war, dass diese ganze Nischendistributionen eigentlich nichts anderes machen, als dem Nutzer bei der Installation eine handverlesene Paketauswahl auf die Platte zu schaufeln. Klar, etwas Artwork und das eine oder andere distributionsspezifische Script war auch dabei, aber wattOS (und auch Crunchbang) hatten eigentlich nichts, was ich nicht auch selbst auf Basis einer Debian-Grundinstallation aufziehen konnte.
Damit will ich das Konzept solcher Distributionen nicht grundlegend schlechtreden, aber viele Distributionen sind eben kaum mehr als Paketauswahl+Artwork und existieren mMn überhaupt nur deshalb als eigenständige Distributionen, weil es keinen einfachen Weg gibt, sowas wie "Skins" auf eine Debian-Grundinstallation aufzusetzen.
Wenn z.B. der Debian-Installer eine einfache Möglichkeit böte, aus dem Netz oder über einen USB-Stick eine vordefinierte Paketauswahl (ähnlich wie Tasksel, aber eben auch auch aus Drittquellen) zu installieren wäre ich sicher, dass es eine Menge dieser debianbasierten Distributionen gar nicht gäbe.
Um hier mal zwei der sinnvolleren Beispiele rauszugreifen:
1. Bodhi startete ursprünglich als Debian mit vorinstalliertem Enlightenment. Ich bin mir sicher, die Distribution gäbe es heute nicht, wenn Enlightenment schon immer ein im Debian-Installer auswählbarer Desktop gewesen wäre, bzw. man Tasksel einfach über eigene Pakete auf einem USB-Stick hätte erweitern können.
2. Siduction ist soweit ich es verstehe im Grunde ein "Constantly Usable Sid", also eine Distribution die zum Ziel hat, auf dem aktuellen Softwarestand von Debian Unstable einen Desktop hinzustellen, der stabil genug läuft um für Endnutzer alltagstauglich zu sein. Dazu wird das Unstable-Repo als Grundlage genutzt und eigene Repos hinzugefügt um zusätzliche eigene, oder noch aktuellere Software als in Sid bereitzustellen. Auch hier vermute ich, dass die Distribution bzw. ihre Vorgänger nie entstanden wären, wenn sich die Siduction-Repos einfach (z.B. über einen optional grafischen "Zusatzrepo-Browser") bei der Debian-Installation einbinden ließen.
AxelMD hat geschrieben: 08.10.2019 14:36:01
Oder wird von Debianablegern auch der Kernel spezieller angepaßt?
Das ist wohl eher selten. Zumindest im x86-Bereich wird vielleicht mal ein neuerer Kernel ausgeliefert als von Debian Stable oder Ubuntu LTS, aber das könnte man meist auch im Rahmen von Backports erledigen. (Edit: Siduction ist hier eine Ausnahme. towo erstellt eigene Kernel für Siduction. Vielleicht verät er dir ja mal, was seine Motivation dafür ist.)
Raspbian ist bzw. war hier eine andere Geschichte. Der erste Raspberry PI hatte eine CPU, welche im Grunde hardfloat-fähig ist, allerdings nicht auf Basis der von Debian/armhf verwendeten ARMv7-Architektur, sondern auf Basis von ARMv6. Damit ließ sich der RPi1 unter Debian nur mit armel (ARMv4) betreiben, was einigen Leute Ansporn genug war, Debian/armhf auf Basis von ARMv6 neu zu compilieren und als eigene Distribution zu veröffentlichen. Heute sehe ich eher wenig technische Relevanz für Raspbian.