Jana66 hat geschrieben: 
25.10.2017 21:25:32
Mal abgesehen von den Zahlen: In der Türkei wurden Gefährder deren Demokratie verhaftet. Über diese wurde demokratisch abgestimmt. Es gab sogar ein Verfassungsreferendum. Ist wohl ein Nachteil der Demokratie an sich, wenn eine Mehrheit über eine klügere oder zumindest andersdenkende Minderheit bestimmt.
"Demokratie" ist nicht nur Volksherrschafft-Durch-Wahlen. Das ist mir auch erst in den letzten Jahren klar geworden. Unsere westlichen Systeme, die wir "Demokratie" nennen, sind vor allem Systeme, die dafür sorgen sollen, daß nicht eine Person oder Gruppe unkontrolliert Macht ausübt. Das schließt die Macht der Mehrheit, bzw. Unterdrückung von Minderheiten durch Mehrheiten ein. Daher die Gewaltenteilung. Daher die Repräsentative Demokratie. Daher ungewählte Richter, Polizei, Staatssekretäre - und daher auch ein Grundgesetz. Und klar geht viel schief, aber es klappt insgesamt relativ gut. Das merkt man leider immer erst dann, wenn jemand versucht, die Checks und Balances zu überwinden. Ich habe im letzten halben Jahre mehr über das amerikanische und polnische System gelernt als ich über das deutsche weiß..
Und moment mal: Seit wann wurden in der Türkei Gefährder deren Demokratie verhaftet???
Wann wurde über die Verhaftungen dort abgestimmt?
Es gab ein Referendum mit einigen Unstimmigkeiten über die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie, ok. Hatten wir so ähnlich auch schon bei uns. Aber der Punkt ist, daß die meisten Verhaftungen keine Rechtsbasis haben, und die Gerichte von der AKP kontrolliert werden. Wenn Gerichte nicht aus mehr als fadenscheinigen Gründen den Parteikongress der MHP verhindert hätten, hätte Erdogan wegen eines Führungswechsels nicht deren Stimmen und damit keine Mehrheit für das Referendum bekommen. Tausend andere Beispiele: Die Prozesse waren alles andere als demokratisch im engen Sinne, also durch Wahlen legitimiert.
Jana66 hat geschrieben: 
25.10.2017 21:25:32
Türkische Zustände vorbereitet?
Nein wieso?
Jana66 hat geschrieben: 
25.10.2017 21:25:32
Woher die Verachtung wohl kommen mag?! Und deine Erstgenannten helfen Letzteren! Z. B. mit derartigen"Gesetzen". Ausserdem züchten die Etablierten die Populisten und deren Wähler selber. Oder wachsen die wie Unkraut einfach so?
Die Frage ist kompliziert und ich denke darüber viel nach. "weil die dauernd Scheiße bauen" ist auf jeden Fall keine ausreichende Antwort. Ein Franz-Josef Strauß war in vielen Hinsichten schlimmer - gerade auch was die Mauscheleien mit der Industrie angeht - als Merkel.
Ich habe auch mal von einer interessanten Studie gelesen, die zeigte, wieviel negativer die durschnittliche Berichterstattung über Politik seit den 60er Jahren geworden ist. Und skandalorientierter. Man hört ja kaum mal jemanden zusammenhängend reden oder sieht eine umfassende Dokumentation über die tägliche Arbeit von Parteien und Politikern. Es ist sehr, sehr punktuell und tendentiell immer schuld-suchend, wie berichtet wird.
Und dann ist ein Effekt ganz offensichtlich: Alle kritischen Menschen wollen Toleranz, und wollen, daß man Gruppen nicht als Gruppe abstempelt - aber bei einer Gruppe machen sie es gerade so: bei den Politikern.
Jana66 hat geschrieben: 
25.10.2017 21:25:32
Siehe Weimarer Republik
Das ist auch genau, was mir derzeit so Angst einjagt. Die Spaltung der Gesellschaften und das Schreien und Verachten von beiden Seiten war damals auch so. Und in einer Kampfsituation gewinnt die Rechte tendentiell, weil die schneller zum kämpfen bereit und straffer organisiert sind. Das ist zwar momentan noch nicht in Sicht, aber die Rechte ist auf jeden Fall viel größer und viel organisierter als vor 10 Jahren.
Aber wenn die Etablierten nicht mit (entsprechender) Ausländerpolitik die Rechte beruhigen können, womit dann? Und warum nicht?
Jana66 hat geschrieben: 
25.10.2017 21:25:32
Die "Etablierten" werden weder mit Auslaenderpolitik oder Geschwafel darüber noch mit Ausgrenzung der AFD im Bundestag irgendwas am Wahlverhalten verändern - im Gegenteil.
Das sehe ich im letzteren Punkt auch so. Es war viel klüger, wie sie 2016 versucht haben, die Sorgen der Leute ernst zunehmen. Daß sie jetzt sich im Wahlkampf darum gestritten haben, wer die rechten Wähler mehr beleidigt, war nicht so clever.
niemand hat geschrieben: 
25.10.2017 19:15:13
Ich bin der Meinung, dass „aber aber aber … woanders ist noch schlimmer!!k“ keine gute Argumentation ist. Wäre schon ‘ne gute Sache, die aktuell in unserem Land auftauchenden Probleme nicht anhand ganz kaputter Länder zu relativieren.
Da stimme ich genauso zu. Ich sagte nur: Wir dürfen die Unterschiede zu ganz kaputten Ländern nicht eliminieren. Das hat nichts mit Relativieren der Probleme zu tun - habe ich auch geschrieben. Und nichts mit dem Argument: "aber woanders ist es noch schlimmer". Oder genauer: Das Argument bezog sich bei mir nicht auf den Kritikpunkt am bayerischen Gesetz, sondern die Rhetorik und Einstellung.