Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung
Verfasst: 14.10.2024 07:59:32
Nachdem sich die hitzigen Gemüter hoffentlich etwas abgekühlt haben und Vorurteile und Klischees uns auch nicht weiter brachten, möchte ich auch noch einen kleinen Beitrag leisten:
Viele Menschen glauben, daß der Verlauf des Weltgeschehens vorherbestimmt und zweckgerichtet sei. In Wirklichkeit vollzieht sich das Werden der organischen Schöpfung auf unvorhersagbaren Wegen. Auf diese Erkenntnis gründet sich sowohl unser Glaube an die Möglichkeit wahrhaft schöpferischen Geschehens wie auch an die Freiheit und vor allem an die Verantwortlichkeit des Menschen.
(Konrad Lorenz - aus Abbau des Menschlichen))
und Karl Popper über die Voraussagbarkeit von geschichtlichen Gesetzmäßigkeiten:
Historizismus ist ein Begriff für Ansätze der Geschichtsphilosophie, nach der historische Vorgänge von sozialwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten klar bestimmt und vorhersagbar sind.
Der Historizist will den Sinn des Spiels begreifen, das auf der historischen Bühne aufgeführt wird, indem er versucht, die Gesetze der historischen Entwicklung zu finden. Und wenn ihm dies gelungen ist, so kann er damit auch zukünftige Entwicklungen voraussagen. Er vermag dann die Politik auf einer soliden Grundlage aufzubauen und praktische Hinweise zu geben, welche politischen Handlungen aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich sein werden und welche nicht.
Was Popper eine „Prophezeiung“ nennt, ist eine unbedingte Prognose mit technologisch nicht beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „technologische Prognose“ hingegen sei eine bedingte Prognose mit technologisch beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „Prophezeiung“ liege vor, sobald eine Vorhersage „unbedingt“, d. h. unabhängig von Randbedingungen gemacht werde. Eine Prophezeiung unterschlage also ein logisch notwendiges Element zu einer wissenschaftlichen Prognose.
Der Historizist sei jedoch gezwungen, unkonditionale Voraussagen zu machen, weil er nach Langzeitprognosen für Gesellschaften strebe, nämlich nach einer „historischen Prognose großen Stils“. Die sei jedoch für Gesellschaften nicht möglich, weil Gesellschaften keine isolierten, stationären und zyklischen Systeme darstellten.
Schließlich behauptet Popper, es sei ihm gelungen, eine strenge Widerlegung des Historizismus anzugeben: Er habe gezeigt, dass es aus streng logischen Gründen unmöglich ist, den zukünftigen Verlauf der Geschichte mit rationalen Methoden vorherzusagen.
Seinen Gedankengang fasst Popper selbst in den folgenden fünf Schritten zusammen:
1. „Der Ablauf der menschlichen Geschichte wird stark beeinflusst durch das Anwachsen des menschlichen Wissens.“
2. „Wir können mit rational-wissenschaftlichen Methoden das zukünftige Anwachsen unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vorhersagen.“
3. „Daher können wir den zukünftigen Verlauf der menschlichen Geschichte nicht vorhersagen.“
4. „Das bedeutet, daß wir die Möglichkeit einer theoretischen Geschichtswissenschaft verneinen müssen, also die Möglichkeit einer historischen Sozialwissenschaft, die der theoretischen Physik oder der Astronomie des Sonnensystems entsprechen würde. Eine wissenschaftliche Theorie der geschichtlichen Entwicklung als Grundlage historischer Prognosen ist unmöglich.“
5. „Das Hauptziel der historizistischen Methoden [...] ist daher falsch gewählt und damit ist der Historizismus widerlegt.“
Popper selbst beansprucht, mit seiner Historizismus-Kritik den wesentlichen Kern der Geschichtsphilosophie Hegels oder auch den Historischen Materialismus erledigt zu haben. Ob Popper damit wirklich eine wissenschaftlich adäquate Rekonstruktion der betreffenden Theorien gelungen ist, ist umstritten. Walter Kaufmann moniert bei Popper Verstöße schon gegen einfache wissenschaftliche Zitierregeln.[4] Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, ob Poppers Vorgehensweise hierbei mit den Regeln seiner eigenen Methodologie übereinstimmt.[5]
Was lernen wir?
Es läßt sich nichts wirklich vorhersagen, die Evolution beschreitet eigene Wege. Bei dieser Erkenntnis werden viele Menschen nervös, was ich gut verstehen kann. Denn wir haben in Wirklichkeit nicht alles unter Kontrolle, so sehr wir das auch wünschten. Das gilt natürlich auch für die Digitalisierung.
Gruß ralli (mit 74 Jahren noch offen für alles Neue)
Viele Menschen glauben, daß der Verlauf des Weltgeschehens vorherbestimmt und zweckgerichtet sei. In Wirklichkeit vollzieht sich das Werden der organischen Schöpfung auf unvorhersagbaren Wegen. Auf diese Erkenntnis gründet sich sowohl unser Glaube an die Möglichkeit wahrhaft schöpferischen Geschehens wie auch an die Freiheit und vor allem an die Verantwortlichkeit des Menschen.
(Konrad Lorenz - aus Abbau des Menschlichen))
und Karl Popper über die Voraussagbarkeit von geschichtlichen Gesetzmäßigkeiten:
Historizismus ist ein Begriff für Ansätze der Geschichtsphilosophie, nach der historische Vorgänge von sozialwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten klar bestimmt und vorhersagbar sind.
Der Historizist will den Sinn des Spiels begreifen, das auf der historischen Bühne aufgeführt wird, indem er versucht, die Gesetze der historischen Entwicklung zu finden. Und wenn ihm dies gelungen ist, so kann er damit auch zukünftige Entwicklungen voraussagen. Er vermag dann die Politik auf einer soliden Grundlage aufzubauen und praktische Hinweise zu geben, welche politischen Handlungen aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich sein werden und welche nicht.
Was Popper eine „Prophezeiung“ nennt, ist eine unbedingte Prognose mit technologisch nicht beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „technologische Prognose“ hingegen sei eine bedingte Prognose mit technologisch beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „Prophezeiung“ liege vor, sobald eine Vorhersage „unbedingt“, d. h. unabhängig von Randbedingungen gemacht werde. Eine Prophezeiung unterschlage also ein logisch notwendiges Element zu einer wissenschaftlichen Prognose.
Der Historizist sei jedoch gezwungen, unkonditionale Voraussagen zu machen, weil er nach Langzeitprognosen für Gesellschaften strebe, nämlich nach einer „historischen Prognose großen Stils“. Die sei jedoch für Gesellschaften nicht möglich, weil Gesellschaften keine isolierten, stationären und zyklischen Systeme darstellten.
Schließlich behauptet Popper, es sei ihm gelungen, eine strenge Widerlegung des Historizismus anzugeben: Er habe gezeigt, dass es aus streng logischen Gründen unmöglich ist, den zukünftigen Verlauf der Geschichte mit rationalen Methoden vorherzusagen.
Seinen Gedankengang fasst Popper selbst in den folgenden fünf Schritten zusammen:
1. „Der Ablauf der menschlichen Geschichte wird stark beeinflusst durch das Anwachsen des menschlichen Wissens.“
2. „Wir können mit rational-wissenschaftlichen Methoden das zukünftige Anwachsen unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vorhersagen.“
3. „Daher können wir den zukünftigen Verlauf der menschlichen Geschichte nicht vorhersagen.“
4. „Das bedeutet, daß wir die Möglichkeit einer theoretischen Geschichtswissenschaft verneinen müssen, also die Möglichkeit einer historischen Sozialwissenschaft, die der theoretischen Physik oder der Astronomie des Sonnensystems entsprechen würde. Eine wissenschaftliche Theorie der geschichtlichen Entwicklung als Grundlage historischer Prognosen ist unmöglich.“
5. „Das Hauptziel der historizistischen Methoden [...] ist daher falsch gewählt und damit ist der Historizismus widerlegt.“
Popper selbst beansprucht, mit seiner Historizismus-Kritik den wesentlichen Kern der Geschichtsphilosophie Hegels oder auch den Historischen Materialismus erledigt zu haben. Ob Popper damit wirklich eine wissenschaftlich adäquate Rekonstruktion der betreffenden Theorien gelungen ist, ist umstritten. Walter Kaufmann moniert bei Popper Verstöße schon gegen einfache wissenschaftliche Zitierregeln.[4] Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, ob Poppers Vorgehensweise hierbei mit den Regeln seiner eigenen Methodologie übereinstimmt.[5]
Was lernen wir?
Es läßt sich nichts wirklich vorhersagen, die Evolution beschreitet eigene Wege. Bei dieser Erkenntnis werden viele Menschen nervös, was ich gut verstehen kann. Denn wir haben in Wirklichkeit nicht alles unter Kontrolle, so sehr wir das auch wünschten. Das gilt natürlich auch für die Digitalisierung.
Gruß ralli (mit 74 Jahren noch offen für alles Neue)