Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

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ralli
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von ralli » 14.10.2024 07:59:32

Nachdem sich die hitzigen Gemüter hoffentlich etwas abgekühlt haben und Vorurteile und Klischees uns auch nicht weiter brachten, möchte ich auch noch einen kleinen Beitrag leisten:

Viele Menschen glauben, daß der Verlauf des Weltgeschehens vorherbestimmt und zweckgerichtet sei. In Wirklichkeit vollzieht sich das Werden der organischen Schöpfung auf unvorhersagbaren Wegen. Auf diese Erkenntnis gründet sich sowohl unser Glaube an die Möglichkeit wahrhaft schöpferischen Geschehens wie auch an die Freiheit und vor allem an die Verantwortlichkeit des Menschen.

(Konrad Lorenz - aus Abbau des Menschlichen))

und Karl Popper über die Voraussagbarkeit von geschichtlichen Gesetzmäßigkeiten:

Historizismus ist ein Begriff für Ansätze der Geschichtsphilosophie, nach der historische Vorgänge von sozialwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten klar bestimmt und vorhersagbar sind.

Der Historizist will den Sinn des Spiels begreifen, das auf der historischen Bühne aufgeführt wird, indem er versucht, die Gesetze der historischen Entwicklung zu finden. Und wenn ihm dies gelungen ist, so kann er damit auch zukünftige Entwicklungen voraussagen. Er vermag dann die Politik auf einer soliden Grundlage aufzubauen und praktische Hinweise zu geben, welche politischen Handlungen aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich sein werden und welche nicht.

Was Popper eine „Prophezeiung“ nennt, ist eine unbedingte Prognose mit technologisch nicht beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „technologische Prognose“ hingegen sei eine bedingte Prognose mit technologisch beeinflussbaren Randbedingungen. Eine „Prophezeiung“ liege vor, sobald eine Vorhersage „unbedingt“, d. h. unabhängig von Randbedingungen gemacht werde. Eine Prophezeiung unterschlage also ein logisch notwendiges Element zu einer wissenschaftlichen Prognose.

Der Historizist sei jedoch gezwungen, unkonditionale Voraussagen zu machen, weil er nach Langzeitprognosen für Gesellschaften strebe, nämlich nach einer „historischen Prognose großen Stils“. Die sei jedoch für Gesellschaften nicht möglich, weil Gesellschaften keine isolierten, stationären und zyklischen Systeme darstellten.

Schließlich behauptet Popper, es sei ihm gelungen, eine strenge Widerlegung des Historizismus anzugeben: Er habe gezeigt, dass es aus streng logischen Gründen unmöglich ist, den zukünftigen Verlauf der Geschichte mit rationalen Methoden vorherzusagen.

Seinen Gedankengang fasst Popper selbst in den folgenden fünf Schritten zusammen:

1. „Der Ablauf der menschlichen Geschichte wird stark beeinflusst durch das Anwachsen des menschlichen Wissens.“

2. „Wir können mit rational-wissenschaftlichen Methoden das zukünftige Anwachsen unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vorhersagen.“

3. „Daher können wir den zukünftigen Verlauf der menschlichen Geschichte nicht vorhersagen.“

4. „Das bedeutet, daß wir die Möglichkeit einer theoretischen Geschichtswissenschaft verneinen müssen, also die Möglichkeit einer historischen Sozialwissenschaft, die der theoretischen Physik oder der Astronomie des Sonnensystems entsprechen würde. Eine wissenschaftliche Theorie der geschichtlichen Entwicklung als Grundlage historischer Prognosen ist unmöglich.“

5. „Das Hauptziel der historizistischen Methoden [...] ist daher falsch gewählt und damit ist der Historizismus widerlegt.“

Popper selbst beansprucht, mit seiner Historizismus-Kritik den wesentlichen Kern der Geschichtsphilosophie Hegels oder auch den Historischen Materialismus erledigt zu haben. Ob Popper damit wirklich eine wissenschaftlich adäquate Rekonstruktion der betreffenden Theorien gelungen ist, ist umstritten. Walter Kaufmann moniert bei Popper Verstöße schon gegen einfache wissenschaftliche Zitierregeln.[4] Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, ob Poppers Vorgehensweise hierbei mit den Regeln seiner eigenen Methodologie übereinstimmt.[5]

Was lernen wir?

Es läßt sich nichts wirklich vorhersagen, die Evolution beschreitet eigene Wege. Bei dieser Erkenntnis werden viele Menschen nervös, was ich gut verstehen kann. Denn wir haben in Wirklichkeit nicht alles unter Kontrolle, so sehr wir das auch wünschten. Das gilt natürlich auch für die Digitalisierung.

Gruß ralli (mit 74 Jahren noch offen für alles Neue)

Huo
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Huo » 14.10.2024 11:37:56

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 07:59:32
(mit 74 Jahren noch offen für alles Neue)
Diese Offenheit versuche ich mir durchaus auch zu bewahren. Gleichzeitig liegt für mich eine Chance des Alters gerade darin, nicht mehr alles Neue mitmachen zu müssen, ja nicht einmal alles Neue erlernen zu müssen. Du selbst hast in anderem Zusammenhang den Wert des "Loslassens" betont. Ich selbst empfinde es zum Beispiel als enorme Befreiung, in meinem Berufswissen nicht mehr dem aktuellen Stand hinterherhecheln zu müssen. Im Schlagwort des "Lebenslangen Lernens" schwingt für mein Empfinden immer auch eine Drohung mit, eine Anmutung von "lebenslänglich".

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 11:43:14

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 11:37:56
Diese Offenheit versuche ich mir durchaus auch zu erhalten. Gleichzeitig liegt für mich eine Chance des Alters gerade darin, nicht mehr alles Neue mitmachen zu müssen, ja nicht einmal alles Neue erlernen zu müssen. Du selbst hast in anderem Zusammenhang die Bedeutung des "Loslassens" betont. Ich selbst empfinde es zum Beispiel als enorme Befreiung, in meinem Berufswissen nicht mehr dem aktuellen Stand hinterherhecheln zu müssen. Im Schlagwort des "Lebenslangen Lernens" schwingt für mein Empfinden immer auch eine Drohung mit, eine Anmutung von "lebenslänglich".
Hmm, kommt es nicht sehr stark drauf an, ob einen das Thema interessiert? Sei es weil man persönlich direkt einen Nutzen daraus gewinnt und oft auch einfach aus Spaß an der Freude. Manchmal schau ich z.B. eine bestimmte Linux-Distri an, einfach weil ich es interessant finde - selbst wenn ich davon gar nichts direkt habe.

"Berufswissen" lernen...hachja, das macht oft auch wenig Spaß. Ich hab in der Uni-Zeit schon lieber das gelernt, worauf ICH Lust hatte, hab die Kurse geschwänzt und das Prüfungswissen dann in ein paar Wochen vor der Prüfung "aufgesogen" und meist dann wieder vergessen.

Huo
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Huo » 14.10.2024 12:04:39

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 11:43:14
Hmm, kommt es nicht sehr stark drauf an, ob einen das Thema interessiert?
Klar ist das ein entscheidender Punkt. Bleibt also die Frage, wie Menschen, die sich nicht für digitale Themen interessieren, trotzdem am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
13.10.2024 15:33:10
Ich kenne viele Menschen um die 70 in meinem Verwandtenkreis und die sind technisch alle fit genug. Haben damals teils schon am C64 herumgeklimpert.
Ich habe "70+"-Freunde, die digital absolut unbedarft sind. Dafür können sie beispielsweise gut Geige spielen oder haben alles von Thomas Mann gelesen oder können seltene Schmetterlinge bestimmen oder kennen jeden Trampelpfad im Schwarzwald. Diese Menschen kämen nie auf die Idee, ihre Fertigkeiten von allen Mitmenschen zu erwarten. Zugegebenermaßen sind solche Fertigkeiten – anders als das kundige Wischen über Smartphonedisplays – für das Funktionieren des "Systems" eher unherheblich. Deine insistierenden Verweise auf die Zwänge des Systems kann ich einerseits nachvollziehen, andererseits weist das System auch Risse auf, die – begrenzt und individuell unterschiedlich – Freiräume eröffnen. (Und da der Kapitalismus irgendwann an die Grenzen des Wachstums stoßen wird, ist langfristig sein Ende eh absehbar.)

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 12:11:01

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 12:04:39
Klar ist das ein entscheidender Punkt. Bleibt also die Frage, wie Menschen, die sich nicht für digitale Themen interessieren, trotzdem am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. [...] beispielsweise gut Geige spielen oder haben alles von Thomas Mann gelesen oder können seltene Schmetterlinge bestimmen oder kennen jeden Trampelpfad im Schwarzwald. Diese Menschen kämen nie auf die Idee, ihre Fertigkeiten von allen Mitmenschen zu erwarten.
Nun, die Frage ist ja, ob man die Basis-Bedienung eines Smartphones wirklich mit "Geige spielen" oder "Thomas Mann" vergleichen kann - ich würde das stark verneinen und Reich-Ranicki wäre nun womöglich gar empört ;)

Schon deshalb, weil es nicht nur Hauptschüler mit einer 4- in Mathe und Deutsch problemlos hinbekommen, sondern auch die allermeisten Förderschüler. Und wenn die das "im Schlaf" können, dann kann man das durchaus als allgemein erwartbar ansehen.

Auch andersherum aufgezogen gilt das:
Wer mit 70+ noch so fit ist wie deine Bekannten und seinen Thomas Mann von A-Z beherrscht, der wird es auch hinbekommen, die Basis-Funktionen eines Smartphones zu begreifen.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Huo » 14.10.2024 12:40:43

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 12:11:01
Nun, die Frage ist ja, ob man die Basis-Bedienung eines Smartphones wirklich mit "Geige spielen" oder "Thomas Mann" vergleichen kann - ich würde das stark verneinen und Reich-Ranicki wäre nun womöglich gar empört ;)

Schon deshalb, weil es nicht nur Hauptschüler mit einer 4- in Mathe und Deutsch problemlos hinbekommen, sondern auch die allermeisten Förderschüler. Und wenn die das "im Schlaf" können, dann kann man das durchaus als allgemein erwartbar ansehen.
Ich denke, die Entscheidung älterer Menschen gegen ein Smartphone, ist nur zu einem Teil der Angst vor dem Unbekannten geschuldet oder der Befürchtung, von der Technik kognitiv überfordert zu sein. Auch digital durchaus versierte Ältere verzichten auf ein Smartphone, um sich ein gewisses Maß an innerer Freiheit und Lebensqualität zu bewahren.

Laut Umfragen besitzt in Deutschland nur knapp die Hälfte aller über 65-jährigen ein Smartphone. Und, wer weiß, vielleicht kommt die in den USA aktive "Luddite"-Bewegung auch jüngerer Menschen, die sich bewusst und teils organisiert für ein smartphonefreies Leben entscheiden, irgendwann auch bei uns an:
https://www.welt.de/iconist/partnerscha ... a-los.html

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 13:09:50

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 12:40:43
Auch digital durchaus versierte Ältere verzichten auf ein Smartphone, um sich ein gewisses Maß an innerer Freiheit und Lebensqualität zu bewahren.
Nun, wenn dass das einzige ist, können wir hier eine Lösung finden: Ein einfaches Smartphone (dafür reicht ein 100€ Gerät), auf dass man kein Whatsapp etc installieren kann, wohl aber die App der Bahn oder einer Behörde.

Ich wäre durchaus bereit, hier was zu basteln und dann zu vertreiben.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Meillo » 14.10.2024 13:14:54

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 12:11:01
Nun, die Frage ist ja, ob man die Basis-Bedienung eines Smartphones wirklich mit "Geige spielen" oder "Thomas Mann" vergleichen kann - ich würde das stark verneinen und Reich-Ranicki wäre nun womöglich gar empört ;)

Schon deshalb, weil es nicht nur Hauptschüler mit einer 4- in Mathe und Deutsch problemlos hinbekommen, sondern auch die allermeisten Förderschüler. Und wenn die das "im Schlaf" können, dann kann man das durchaus als allgemein erwartbar ansehen.
Vielleicht sollte von den von dir angefuehrten Hauptschuelern besser erwartet werden, dass sie brauchbare Literatur lesen, anstatt von den gebildeten Rentnern, dass sie Smartphones benutzen. Das taete unserer Gesellschaft sicherlich besser. Und ein brauchbares Buch zu lesen ist sicher nicht schwerer als ein Smartphone zu nutzen. Ebenso kann man die unfaehige Nutzung eines Smartphones auch in etwa damit vergleichen, in einem Buch nur die Worte zu lesen, ohne ihren Sinn zu verstehen. Das ist in etwa das was die Rentner und die Hauptschueler jeweils tun wuerden -- ohne einer dieser Gruppen abwerten zu wollen, sie sind nur die pauschalen Seiten dieses Beispiels geworden.

(Das aber nur als Seitenhieb auf deine Provokationen.)



Es wird in dem Bezug immer ueber Fortschritt geredet. Dabei wird einfach unterstellt, was Fortschritt waere und was Rueckschritt, obgleich manche diese Einteilung auch andersrum treffen wuerden.

Veraenderungen -- ``Fortschritt'' -- kann man als einen kleinen Schritt im Moment betrachten oder als Gesamtrichtung eines ganzes Weges, also wohin dieser fuehrt. (Ich finde, letzteres ist die relevantere Betrachtung, wenn man von Fortschritt redet.)

Was mich von dir interessieren wuerde: Ist eine fortschrittliche Welt fuer dich eine in der alle alles in einer einheitlichen Weise machen (muessen), weil das am effizientesten ist? So klingen deine Ausfuehrungen fuer mich. Verstehe ich dich da richtig? Oder wie saehe fuer dich eine fortschrittliche Welt aus (also das Ziel am Ende des Weges der vielen kleinen Fort-Schritte)? Oder ist das fuer dich egal und du stellst nur dar, dass alles was passiert Fortschritt sei und ``die Menschen'' das halt so wollen wuerden. -- Ich tue mir schwer, zu begreifen, was genau deine Position und deine Aussage ist.

Fuer mich ist Fortschritt eine Welt in der jede Person die Dinge in der Weise machen kann, wie sie sie am liebsten macht und wie sie am besten zur eigenen individuellen Lebensgestaltung passen. Folglich ist fuer mich jeder Wegfall von bisherigen Handlungsweisen, die Menschen gerne noch weiter nutzen wuerden, ein Rueckschritt. Das gleichzeitige Angebot zusaetzlicher alternativer, gleichwertiger Wege ist fuer mich Fortschritt.

(Ich habe mal ein schoenes Flussdiagramm gesehen, zur Frage, ob man eine Aenderung machen sollte: 1) Macht es die Dinge besser? 2) Macht es die Dinge schlechter? Nur wenn man die erste Frage mit Ja und die zweite mit Nein beantworten kann, sollte man die Aenderung umsetzen -- nur dann ist es Fortschritt. Ich habe den Eindruck, dass meist nur ueber die erste Frage geredet wird.)

Man kann zur Frage, was man unter Fortschritt versteht, unterschiedlicher Meinung sein. Ich frage mich nun eben, was deine Vorstellung von Fortschritt ist, im grossen Bild, ueber den einen kleinen Schritt hinaus, da ich sicherstellen will, dass ich dich richtig verstehe.
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Huo » 14.10.2024 13:34:51

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:09:50
Nun, wenn dass das einzige ist, können wir hier eine Lösung finden: Ein einfaches Smartphone (dafür reicht ein 100€ Gerät), auf dass man kein Whatsapp etc installieren kann, wohl aber die App der Bahn oder einer Behörde.

Ich wäre durchaus bereit, hier was zu basteln und dann zu vertreiben.
Danke, noch wurschtle ich mich auch ohne Smartphone ganz gut durch meinen Rentneralltag. Bahnen und Busse haben mich bislang nicht von ihrer Nutzung ausgeschlossen, und im Umgang mit Behörden fand sich noch immer ein app-freier Weg. Sollte das irgendwann nicht mehr klappen, komme ich gerne auf Dein Angebot zurück. :wink:

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 13:35:31

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:14:54
Vielleicht sollte von den von dir angefuehrten Hauptschuelern besser erwartet werden, dass sie brauchbare Literatur lesen, anstatt von den gebildeten Rentnern, dass sie Smartphones benutzen. Das taete unserer Gesellschaft sicherlich besser. Und ein brauchbares Buch zu lesen ist sicher nicht schwerer als ein Smartphone zu nutzen. Ebenso kann man die unfaehige Nutzung eines Smartphones auch in etwa damit vergleichen, in einem Buch nur die Worte zu lesen, ohne ihren Sinn zu verstehen. Das ist in etwa das was die Rentner und die Hauptschueler jeweils tun wuerden -- ohne einer dieser Gruppen abwerten zu wollen, sie sind nur die pauschalen Seiten dieses Beispiels geworden.

(Das aber nur als Seitenhieb auf deine Provokationen.)
Das sollte gar keine Provokation sein. Es ging darum, mit einem eingängigen Beispiel aufzeigen, dass die Bedienung an sich nicht sonderlich schwer ist und daher auch für sogenannte Technik-Muffel ohne allzugroße Hürden erlernbar ist. Ansonsten: Ja, ein gutes Buch lesen würde sicher dem ein oder anderen "Halbstarken" gut tun, das würde ich keineswegs bezweifeln ;)
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:14:54
Was mich von dir interessieren wuerde: Ist eine fortschrittliche Welt fuer dich eine in der alle alles in einer einheitlichen Weise machen (muessen), weil das am effizientesten ist? So klingen deine Ausfuehrungen fuer mich. Verstehe ich dich da richtig? Oder wie saehe fuer dich eine fortschrittliche Welt aus (also das Ziel am Ende des Weges der vielen kleinen Fort-Schritte)? Oder ist das fuer dich egal und du stellst nur dar, dass alles was passiert Fortschritt sei und ``die Menschen'' das halt so wollen wuerden. -- Ich tue mir schwer, zu begreifen, was genau deine Position und deine Aussage ist.
Meine Argumentationen müssen nicht immer 100% mit meinem eigenen Weltbild übereinstimmen. Ich bin ein großer Freund von Advocatus Diaboli (wobei ich darauf achte, dass das was ich sage, logisch stimmig ist). Für ein möglichst vollständiges verstehen der Welt ist es nötig, die eigenen kognitiven Verzerrungen (die durch Sozialisation, Umfeld, Ideologie, Vorlieben, Kultur etc) entstehen außen vor zu lassen und verschiedene Perspektiven einzunehmen (auch wenn sie einem nicht gefallen etc).

Hier habe u.a. die Rolle des aktuellen (teils) neoliberal-kapitalistischen "Systems" vertreten. Und auch beleuchtet, inwieweit viele Menschen die heute darunter leiden, es womöglich durch eigene Entscheidungen (z.B. bei Wahlen) mitgeschaffen haben.

Um zu wissen, wie die Entscheider ticken (die auch die Digitalisierung gnadenlos vorantreiben) muss man wissen, wie sie denken und fühlen und warum sie das, was sie tun, für gut und richtig und auch zumutbar halten und dabei auch keine moralischen Bedenken haben.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Meillo » 14.10.2024 13:57:19

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:35:31
Hier habe u.a. die Rolle des aktuellen (teils) neoliberal-kapitalistischen "Systems" vertreten. Und auch beleuchtet, inwieweit viele Menschen die heute darunter leiden, es womöglich durch eigene Entscheidungen (z.B. bei Wahlen) mitgeschaffen haben.

Um zu wissen, wie die Entscheider ticken (die auch die Digitalisierung gnadenlos vorantreiben) muss man wissen, wie sie denken und fühlen und warum sie das, was sie tun, für gut und richtig und auch zumutbar halten und dabei auch keine moralischen Bedenken haben.
Danke fuer die Erlaeuterung. Nun kann ich deine Posts besser interpretieren.

Ich finde, dass ein Advocatus Diaboli nur in kleinen Dosen hilfreich ist. Zu viel davon erzeugt schnell eine destruktive Stimmung und kann Diskussionen zerstoeren. Wenn diese Position als solche bekannt ist, kann man sich IMO auch besser konstruktiv daran abarbeiten, als wenn sie verschleiert ist. Somit: Danke fuer die Klarstellung.


Was ich Diskussion angeht, sind es fuer mich zwei separate Diskussionen, ob es um das Verstehen der aktuellen Lage der Welt geht, oder um die Frage, wo wir hin wollen. Der naechste Schritt muss nicht unbedingt die Fortschreibung des Vergangenen sein. Ich finde es oft anstrengend, wenn diese beide Betrachtungen vermischen.

Viele deiner Darlegungen zur Frage, warum die Welt ist, wie sie ist, kann ich nachvollziehen, obgleich sie bereits eine bestimmte Weltsicht beinhalten. Aus einer anderen Weltsicht heraus wuerden die gleichen Beobachtungen als andere Phaenomen und als anderen Strukturen unterworfen beschrieben werden. (Gerade auch an der (sinngemaessen) Aussage ``Wir (Menschen) haben es uns so ausgesucht.'' koennte man tief einsteigen.)

Ich finde ich es wenig foerderlich sich immer wieder in Weltsichten hineinzubegeben, die ich destruktiv finde und die IMO schon viel Schaden angerichtet haben. Da will ich ihnen nicht noch mehr Raum in der oeffentlichen Sichtbarkeit und Zeit in meinem Leben geben. Besser finde ich es, mich mit konstruktiveren Alternativen zu befassen und nicht staendig gegen etwas Vorherrschendes zu argumentieren, sondern moegliche bessere Alternativen aufzuzeigen. Was gut ist sollte Raum und Zeit bekommen.
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von ralli » 14.10.2024 14:00:34

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 11:37:56
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 07:59:32
(mit 74 Jahren noch offen für alles Neue)
Diese Offenheit versuche ich mir durchaus auch zu bewahren. Gleichzeitig liegt für mich eine Chance des Alters gerade darin, nicht mehr alles Neue mitmachen zu müssen, ja nicht einmal alles Neue erlernen zu müssen. Du selbst hast in anderem Zusammenhang den Wert des "Loslassens" betont. Ich selbst empfinde es zum Beispiel als enorme Befreiung, in meinem Berufswissen nicht mehr dem aktuellen Stand hinterherhecheln zu müssen. Im Schlagwort des "Lebenslangen Lernens" schwingt für mein Empfinden immer auch eine Drohung mit, eine Anmutung von "lebenslänglich".
Das glaube ich Dir sofort, denn ich denke sehr ähnlich. Das berufliche und andere Zwänge weggefallen sind, empfinde auch ich als Wohltat.

Das fehlen eines Smartphones ist ja keine Verweigerungshaltung gegenüber dem technischen Fortschritt, sondern ist durchaus auch noch anderen Dingen geschuldet, wie zum Bsp. die andauernde Erreichbarkeit. Und jedem Trend (ist es ja beim Smartphone nicht mehr) lief ich noch nie hinterher. Kurzum, das fehlen eine Smartphones empfinde ich nicht als Defizit.

Aber mit der sich in rasendem Tempo etablierenden KI setzte ich mich schon noch auseinder. Deshalb kommt das Lesen aber nicht zu kurz. Bis heute gab es noch keinen wie immer gearteten technischen Fortschitt, der meinen Lesedrang hätte verdrängen oder zügeln können.

Dazu gesellt sich, das ich ein Familienmensch bin. Das hat höchste Priorität.

Gruß ralli

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 14:10:31

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:57:19
Ich finde, dass ein Advocatus Diaboli nur in kleinen Dosen hilfreich ist. Zu viel davon erzeugt schnell eine destruktive Stimmung und kann Diskussionen zerstoeren.
Nun, aber in den 50er Jahren hätte ironischerweise sogar eine Diskussion darüber, warum Frauen völlig emanzipiert sein sollten, für "Aufruhr" in einem Forum gesorgt (hätte es das da schon gegeben). Man hätte die Person als "Provokateur" herausgeworfen. In saudischen Forum passiert das heute noch, wenn dort jemand sich zum Atheismus bekennt (und zwar nicht nur wegen der staatlichen Zensur).

Was uns leiten sollte in Diskussionen ist die Logik - und nicht die Emotionen.

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 13:57:19
Viele deiner Darlegungen zur Frage, warum die Welt ist, wie sie ist, kann ich nachvollziehen, obgleich sie bereits eine bestimmte Weltsicht beinhalten. Aus einer anderen Weltsicht heraus wuerden die gleichen Beobachtungen als andere Phaenomen und als anderen Strukturen unterworfen beschrieben.
Darum habe ich ja auch bewußt dieses Video geteilt:
https://www.youtube.com/watch?v=1ZTdGuyut-8

Ich finde, die Leute leben dort kein schlechtes Leben.

Worauf hingegen freue ich mich persönlich, sollte es mal wahr werden in Sachen Technik und "Digitalisierung"? Freue ich mich auf eine voll-digitaliserte Bahn-App? Nun , das sehe ich recht pragmatisch, weswegen ich (weil ich die Tücken der Technik kenne) ja meine Tickets immer nochmal ausdrucke ;)

Nein: Ich setze auf die "Matrix" (selbst wenn ich nicht weiß, ob ich es zu Lebzeiten noch erleben werde). Die KI und VR gibt hier den Vorgeschmack und Dinge wie Elon Musks Neuralink mit "Brain Chips" sind das Nächste. Es wird irgendwann möglich sein, dass wir in einer vollständig selbst geschaffenen Welt quasi "Gott spielen" können. Das Gehirn wird an einen Computer angeschlossen und statt den sensorischen Eindrücken der echten Welt gibt sie der Computer vor den wir selber steuern können.

Alles, wovon wir jetzt nur träumen können, können wir dann mit 100% echten Gefühlen, visuellen Eindrücken und allem was dazu gehört, "real" umsetzen. Und das ohen Schäden - es bleibt ja in der "Matrix".
Zuletzt geändert von user8111 am 14.10.2024 14:24:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von MSfree » 14.10.2024 14:14:32

ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:00:34
Das fehlen eines Smartphones ist ja keine Verweigerungshaltung gegenüber dem technischen Fortschritt, sondern ist durchaus auch noch anderen Dingen geschuldet, wie zum Bsp. die andauernde Erreichbarkeit.
Dauernde Erreichbarkeit hat aber nichts mit Smartphone zu tun, denn das ist mit jedem Mobilfunktelefon der Fall, solange man es dabei hat. Wer den größten Teil seiner Zeit in der eigenen Wohnung verbringt, ist sogar über das Festnetz dauernd erreichbar.

Es ist nunmal so, daß jemand, der keinen Mobilfunkvertrag hat, automatisch auch kein Smartphone nutzt.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von ralli » 14.10.2024 14:43:36

Wäre Rückschritt nicht ein echter Fortschritt? Deshalb müssen wir ja nicht gleich in Höhlen hausen. Wäre denn ein maßvoller Konsumverzicht nicht echte gelebte Nachhaltigkeit? Was wäre denn, wenn wir den augenblicklichen Wohlstand einfrieren würden? Zu verantworten ist er in einer Welt mit endlichen Resourcen eh nicht mehr. Oder noch weiter gedacht, was wäre, wenn alle Menschen sich vernünftig verhalten würden? Wenn sie einen ethischen Kompass besitzen würden und ihn auch noch gebrauchten?

Die Auswirkungen möchte ich mir garnicht vorstellen. Wahrscheinlich wären die dramatischen Auswirkungen Massenarbeitslosigkeit und weitere soziale Verelendung.

Was wäre, wenn Menschen ihre Gesundheit ernst nähmen und sich dementsprechend positiv verhielten?

Dann würden die Säulen einer Hausarztpraxis mächtig ins Wanken kommen, die da wären Cholesterin, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht.

Ja, dann hätten wir ein echtes Dilemma, denn Unvernunft und Fehlverhalten sind leider ein Garant unseres Wohlstandes. Das Laster generiert Wohlstand ... Klingt zynisch, ist aber so.

Wäre das Fazit daher:

Weiter machen wie bisher? Auf keinen Fall. Das unser Wrtschaftssystem den Gipfel längst überschritten hat, ist sicherlich auch schon anderen aufgefallen. Noch ist keine Alternative in Sicht. Wenn wir aber das Überleben der Menschheit sichern wollen, ist es an der Zeit, sich um sozialverträgliche Alternativen nicht nur Gedanken zu machen, denn es ist höchste Zeit zu handeln. Dabei sollten wir nicht auf andere schauen, sondern bei uns selbst anfangen.

Gruß ralli

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Meillo » 14.10.2024 14:45:43

MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:14:32
ralli hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:00:34
Das fehlen eines Smartphones ist ja keine Verweigerungshaltung gegenüber dem technischen Fortschritt, sondern ist durchaus auch noch anderen Dingen geschuldet, wie zum Bsp. die andauernde Erreichbarkeit.
Dauernde Erreichbarkeit hat aber nichts mit Smartphone zu tun, denn das ist mit jedem Mobilfunktelefon der Fall, solange man es dabei hat.
Fuer mich ist das Smartphone ein Komplex von Verlockungen die es uns Menschen anstrengend machen, zu widerstehen. Es bedarf IMO in den meisten Faellen bestaendiger Energie, gegen die Verlockungen zu arbeiten, wenn man ein Smartphone entgegen seiner Art als Einzelproblemwerkzeug nutzen will. Das ist technisch moeglich, wird aber von den wenigsten so praktiziert, weil sie meist in umfassendere Nutzungsverhalten reinrutschen.

Durch Erfahrungen am stationaeren Computer weiss ich, wie er auf mein Verhalten wirkt. Er hat viel Gutes, aber er hat auch schlechte Auswirkungen auf mein Leben. Diesen mir unerwuenschten Einfluss moechte ich nicht noch ausweiten. Stattdessen ist es mir wichtig, lange Konzentrationsphasen zu haben, intensiv an Dingen zu arbeiten, Gedanken und Werke ueber laengere Zeiten zu entwickeln, usw. Diesen Wuenschen ist ein Smartphone bei mir hinderlich. (So habe ich beispielsweise vor vielen Jahren das Chatten aufgegeben, weil ich nicht gut gefunden habe, wie sich diese Art der Kommunikation auf mein Kommunikationsverhalten ausgewirkt hat.)

Smartphones (als staerkster Inbegriff der Digitalisierung) haben viele gute Faehigkeiten, erzeugen aber auch Schaeden. Natuerlich muss man das fuer sich bewerten, was einem wichtiger ist. Und gerade das *sollte* man tun: bewerten und dann muendig fuer sich selbst entscheiden, in welcher Weise man ein Smartphone nutzen moechte. Schlecht ist, wenn diese Entscheidung nie aktiv und bewusst getroffen wird, sondern sie einfach vorgegeben oder als Voraussetzung fuer ein Leben in der Gesellschaft erzwungen wird.
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 15:02:47

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:45:43
Fuer mich ist das Smartphone ein Komplex von Verlockungen die es uns Menschen anstrengend machen, zu widerstehen.
Wirklich? Das finde ich krass. Ich finde es gibt nichts schlimmeres, als am Smartphone "herumspielen" zu müssen. Wo immer ich kann, ist z.B. das erste, was ich tue (egal ob auf Laptop oder Desktop): WhatsApp Web aktivieren, Instagram auf dem Desktop nutzen etc. Nicht dieses furchtbare gefriemel auf dem kleinen Display und den virtuellen "Tasten".
Meillo hat geschrieben: Durch Erfahrungen am stationaeren Computer weiss ich, wie er auf mein Verhalten wirkt. Er hat viel Gutes, aber er hat auch schlechte Auswirkungen auf mein Leben. [...] Gedanken und Werke ueber laengere Zeiten zu entwickeln, usw.
Habe letztens einen Entwurf (ohne Code, also erstmal nur Details, Design-Ideen etc) zu einer neuen Software mit einer KI zusammen entwickelt über Dutzend DIN A4 Seiten hinweg. Also ich sehe nicht unbedingt ein Hindernis für langes konzentriertes Denken, sondern viele Chancen.

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MSfree
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von MSfree » 14.10.2024 15:16:10

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:02:47
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:45:43
Fuer mich ist das Smartphone ein Komplex von Verlockungen die es uns Menschen anstrengend machen, zu widerstehen.
Wirklich? Das finde ich krass. Ich finde es gibt nichts schlimmeres, als am Smartphone "herumspielen" zu müssen. Wo immer ich kann, ist z.B. das erste, was ich tue (egal ob auf Laptop oder Desktop): WhatsApp Web aktivieren, Instagram auf dem Desktop nutzen etc.
Es macht doch gar keinen Unterschied, ob man sich vom Smartphone oder vom Gebimmel am Desktop-PC ablenken läßt. Insofern verschiebst du das Problem nur von einem kleinen auf einen größeren Bildschirm.

Ich habe, trotz Smartphone, überhaupt kein Problem, den Erinnerungston einer eintrudelnden WhatsApp-Medung zu ignorieren. Leute, die mich kennen, wissen, daß ich nicht sofort antworte, sondern, dann, wenn Zeit dafür ist. Für mich ist das Smartphone nunmal ein sehr praktisches Gerät, das aber eben nicht zum Daddeln genutzt wird, sondern z.B. als Taschenlampe, wenn man mal wieder eine Schraube im 19"-Schrank versenkt hat. Ich lasse mich von dem Teil nicht ablenken, aber die Selbstdisziplin muß man nunmal mitbringen.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 15:21:15

MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:16:10
Ich habe, trotz Smartphone, überhaupt kein Problem, den Erinnerungston einer eintrudelnden WhatsApp-Medung zu ignorieren.
Ich habe für das Problem eine Lösung, die so pragmatisch und banal ist, dass da wohl die wenigsten Menschen drauf kommen:
Mein Smartphone (und auch WhatsApp am PC) steht permanent auf lautlos (wenn ich keinen sehr dringenden Anruf oder eine Nachricht erwarte).

So antworte ich dann (sei es eine Nachricht oder ein Anruf) wenn ich "Lust" dazu habe und mich bequeme, draufzuschauen.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Meillo » 14.10.2024 15:24:56

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:02:47
Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 14:45:43
Fuer mich ist das Smartphone ein Komplex von Verlockungen die es uns Menschen anstrengend machen, zu widerstehen.
Wirklich? Das finde ich krass. Ich finde es gibt nichts schlimmeres, als am Smartphone "herumspielen" zu müssen. Wo immer ich kann, ist z.B. das erste, was ich tue (egal ob auf Laptop oder Desktop): WhatsApp Web aktivieren, Instagram auf dem Desktop nutzen etc. Nicht dieses furchtbare gefriemel auf dem kleinen Display und den virtuellen "Tasten".
Das Deaktivieren von aufmerksamkeitsheischenden Signalen ist aus meiner Sicht bereits Energie, die ich aufwenden muss. Auch die Selbstdisziplin, die MSfree erwaehnt, ist aus meiner Sicht erforderliche Energie ... die man je nach persoenlicher Verfassung und z.B. Muedigkeit mehr oder weniger hat.

Wenn das Smartphone in Sichtweite rumliegt, schaust du dann ab und zu darauf, auch wenn du eigentlich gerade nichts aktiv daran machen willst? Wenn du auf die Uhr des Smartphones schaust, siehst du dann zufaellt auch, dass neue Mails da sind und schaust diese an ... und --schwupps-- ist 'ne halbe Stunde Zeit vergangen ...? Das sind so Dinge, wo ich beobachte, dass Menschen aktiv dagegen anarbeiten muessen, wenn sie diese Phaenomene vermeiden wollen. Hier agieren sie nicht, wie sie agieren wollen, sondern fuehlen sich von den Moeglichkeiten und Verlockungen des Geraets beeinflusst. Nicht alle und nicht immer, aber viele finden das schlecht. Jedoch wiegen es die vielen positiven Aspekte des Smartphones fuer sie wieder auf.
user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:02:47
Meillo hat geschrieben: Durch Erfahrungen am stationaeren Computer weiss ich, wie er auf mein Verhalten wirkt. Er hat viel Gutes, aber er hat auch schlechte Auswirkungen auf mein Leben. [...] Gedanken und Werke ueber laengere Zeiten zu entwickeln, usw.
Habe letztens einen Entwurf (ohne Code, also erstmal nur Details, Design-Ideen etc) zu einer neuen Software mit einer KI zusamment entwickelt über Dutzend DIN A4 Seiten hinweg. Also ich sehe nicht unbedingt ein Hindernis für langes konzentriertes Denken, sondern viele Chancen.
Darum habe ich versucht, auszudruecken, dass das fuer jede Person unterschiedlich sein kann. Ich habe beschrieben, wie es fuer mich ist, und dass ich aehnliches bei vielen Personen in meinem Umfeld aehnlich beobachte.

Mir geht es nicht darum, ob Smartphones und Digitalisierung gut oder schlecht sind. Sie haben Vor- und Nachteile wie fast alles. Mir geht es darum, dass jeder Mensch seine eigene Wahl treffen koennen sollte, die fuer ihn am besten passt. Diese Werkzeuge und Technologien sollen genutzt werden koennen aber nicht genutzt werden muessen.

Manche finden Fahrkarten auf dem Smartphone super und ich kann gut verstehen wieso. Ich finde Fahrkarten auf Papier besser und freue mich, wenn die Smartphone-Fraktion versteht wieso. Und wenn dann beides gleichwertig und austauschbar moeglich ist, dann ist das ein Fortschritt. ;-) ... So koennen wir dann alle gluecklich werden. :-D
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 15:30:37

Meillo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:24:56
Wenn das Smartphone in Sichtweite rumliegt, schaust du dann ab und zu darauf, auch wenn du eigentlich gerade nichts aktiv daran machen willst? Wenn du auf die Uhr des Smartphones schaust, siehst du dann zufaellt auch, dass neue Mails da sind und schaust diese an ... und --schwupps-- ist 'ne halbe Stunde Zeit vergangen ...?
Das passiert bei mir recht selten, weil diese Dinge für mich zu banal sind (das klingt nun arrogant) als dass ich da großen Reiz verspüren würde.

Bei mir passiert es eher, dass ich mich mit einer AI in der Diskussion verliere (das war z.B. letztens der Fall), inwieweit die Quantenmechanik auf echten oder nur scheinbaren Zufällen (fehlende Variablen) basiert.

Warum mit der AI? 8) Nun, ich könnte die Diskussion natürlich auch mit den Damen in meinem WhatsApp starten, das würde aber die Chancen auf weitere Dates stark senken :lol:

Huo
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von Huo » 14.10.2024 15:46:21

user8111 hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:21:15
Ich habe für das Problem eine Lösung, die so pragmatisch und banal ist, dass da wohl die wenigsten Menschen drauf kommen:
Mein Smartphone (und auch WhatsApp am PC) steht permanent auf lautlos (wenn ich keinen sehr dringenden Anruf oder eine Nachricht erwarte).

So antworte ich dann (sei es eine Nachricht oder ein Anruf) wenn ich "Lust" dazu habe und mich bequeme, draufzuschauen.
Dafür hast du gestern und heute insgesamt rund 20 Beiträge zu dieser Forendiskussion geschrieben, die meisten davon ausgesprochen zeitnahe Reaktionen auf die Beiträge anderer Teilnehmer. Vielleicht hat MSfree nicht ganz unrecht, auch wenn der Zusammenhang ein anderer war:
MSfree hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:16:10
Insofern verschiebst du das Problem nur von einem kleinen auf einen größeren Bildschirm.
Das soll kein Vorwurf sein, sondern nur darauf verweisen, dass auch der Desktop-PC ein Zeitfresser, Ablenker oder sogar Suchtmittel sein kann. Ich erfahre diese Gefährdung durchaus auch an mir selbst.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 14.10.2024 15:51:14

Huo hat geschrieben: ↑ zum Beitrag ↑
14.10.2024 15:46:21
Dafür hast du gestern und heute insgesamt rund 20 Beiträge zu dieser Forendiskussion geschrieben, die meisten davon ausgesprochen zeitnahe Reaktionen auf die Beiträge anderer Teilnehmer. Vielleicht hat MSfree nicht ganz unrecht, auch wenn der Zusammenhang ein anderer war:
Das ist korrekt, ich habe aber auch die Zeit und die Muße dazu und mache das ganz bewußt.

Denn ich lerne bei solchen Diskussionen auch sehr viel. Und was sich aus der Diskussion ergibt (also die Erkenntnisse und Eindrücke, keine Sorge es wird kein Content geklaut), kann ich dann anderweitig (kommerzieller Blog) wieder geschäftlich verwerten, in dem ich z.B. einen Artikel über Digitalisierung und warum diese nicht jedem gefällt, verfasse.

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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von heisenberg » 14.10.2024 17:12:56

Ich zitiere hier ein paar Quellen, die ich leider nicht belegen kann. Wenn Ihr diese Aussagen deswegen als nicht existent sehen wollt, dann respektiere ich das.
MSfree hat geschrieben:"Selbstdisziplin muß man nunmal mitbringen."
Grundsätzlich finde ich das keine gute Art zu argumentieren: So und so muss es sein! Basta! Ich finde, die Fähigkeit mit der Smartphone-Verlockung gut umzugehen ist bei verschiedenen Menschen verschieden. Und auch "müssen" muss man Selbstdisziplin nicht. Man kann auch eine anderen Umgang damit finden. Ansonsten finde ich authentische Berichte aus dem eigenen Leben sinnvoll, um eine Diskussion durch Praxisnähe zu bereichern, aber gleichzeitig finde ich es nicht sinnvoll, aus dem eigenen Leben Regeln für alle ableiten zu wollen.
MSfree hat geschrieben:Dauernde Erreichbarkeit hat aber nichts mit Smartphone zu tun, denn das ist mit jedem Mobilfunktelefon der Fall, solange man es dabei hat.
Ich finde, die Erreichbarkeit ist nicht das Einzige, was dabei relevant ist. Ich habe z. B. ein Smartphone, von dem das Telefon eine wichtige Komponente ist. Das ist mein Arbeitssmartphone. Die Nummer haben nur sehr sehr wenige Leute. Dementsprechend wenig klingelt das Telefon. Damit will ich sagen: Es ist eine Erreichbarkeit, die nur selten tatsächlich in Anspruch genommen wird und dann auch nur so, dass es ein aktiver Impuls ist (jemand ruft mich an - ich höre es klingeln) und wo es nicht tatsächlich ständig neue Informationen gibt, die ich selbst abrufen müsste, bzw. könnte. Insofern ist das beides eine dauernde Erreichbarkeit, aber der potentielle "Energieverbrauch" ist bei beiden Sachen stark unterschiedlich.

zu: Schäden und Gefahren dauerhaft verfügbarer, unversell einsetzbarer Digitalgeräte (Smartphones)

Ich denke, dass Thema ist zentral und steht hier im Raum.

Es gab mal ein Gerichtsurteil zu einem anderen Thema, was hier imho aber ganz gut dazu passt. Das Urteil war zum Thema Arbeitsrecht und es wurde entschieden, dass ein Urlaub vollkommen frei von jeglicher Erreichbarkeit sein müsse, da es ansonsten kein Urlaub sei. Man könne sich nicht entspannen, wenn man in der Erwartung bleibt, dass doch jederzeit wieder ein Anruf kommt. Das ist für mich eine klare offizielle Aussage dazu, dass Aufmerksamkeit Kraft kostet.

Auch habe ich davon gelesen / gehört - ich meine es war eine Studie über junge Menschen - dass rein die Anwesenheit eines Smartphones, auch ohne dieses Smartphone tatsächlich zu benutzen, die Konzentration für die aktuelle Aufgabe reduziert dadurch, dass man einen Teil der Aufmerksamkeit der Tatsache widmet, daran zu denken, es könne ja eine Nachricht auf dem Smartphone sein und das unabhängig davon, ob man dem Impuls nachzuschauen jetzt folgt oder ihn mittels Selbstdisziplin unterdrückt. Damit möchte ich nicht sagen, dass Du MSfree, das nicht anders und vollkommen effektiv handhaben könntest. Aber ich würde sagen, dass Dein Umgang damit vermutlich nicht der der Allgemeinheit ist.

Sehr schön auch in dem Kontext der Rollback von Schwedens Digitalisierung des Schulsystems zurück zu Büchern, weil durch die Digitalisierung die Leistungen drastisch schlechter geworden sind - und dass ist für mich nicht überraschend; und ich sehe das als Riesenproblem.

Danke auch an Dich @Huo für den Artikel zum Thema "Luddite". Mein Eindruck war der, dass da richtig etwas passiert, dass da eine
kreative Kraft freigesetzt wird, wenn Menschen weg vom Gerät sind und sich im echten Leben treffen.

All das sind für mich Beispiele dafür, dass das Smartphone viel mehr kostet, als es uns bewusst ist.
Meillo hat geschrieben:Das Deaktivieren von aufmerksamkeitsheischenden Signalen ist aus meiner Sicht bereits Energie, die ich aufwenden muss. Auch die Selbstdisziplin, die MSfree erwaehnt, ist aus meiner Sicht erforderliche Energie ... die man je nach persoenlicher Verfassung und z.B. Muedigkeit mehr oder weniger hat.
Das sehe ich auch so. Ich habe mir da im aktuellen Setup sehr viel Mühe gegeben um die vielen Dinge abzuschalten, die alle Aufmerksamkeit signalisieren und bin da sehr wachsam geworden, was da alles ist. Einiges konnte ich abschalten, aber einiges eben auch nicht. Beispiele dafür, die mir gerade einfallen:
  • Skype (Web) meldet mir immer wieder (täglich?) dass die Benachrichtigungen abgeschaltet sind.
  • Skype (Web) bringt immer wieder kleine Werbemeldungen, um mich für irgend etwas Neues zu animieren.
  • Die Telegram "Stories" (persönliche Statusmeldungen) von Benutzern kann ich nicht komplett ausblenden
  • Ich kann die Kontaktegruppe "Alle Kontakte" von Telegram nicht ausblenden. (Ich müsste dazu ein kostenpflichtiges Paket kaufen,
    was aber dann doch nicht verfügbar ist. Dieses Ausblenden von "Allen Kontakten" möchte ich deswegen, weil ich nur die Personengruppen wirklich wahrnehmen möchte, die mir wichtig sind. Alle anderen schaue ich mir vielleicht 1 x pro Monat an.
  • Die Plattform nebenan.de möchte Ihre Werbekunden Anzeigen platzieren, damit sie damit Geld verdienen. Die App habe ich schon gar
    nicht mehr installiert, weil ich über den Browser mehr Kontrolle über die Inhalte habe (Werbeblocker, ...).
  • Der Brave-Browser hat starke Ad-Blocking-Mechanismen integriert, um andere Werbetreibenden auszusperren und sichert sich so - auf zurückhaltende Art und Weise - das Monopol als Einziger in seiner Anwendung Werbung zu schalten.

Es liegt also in der (kapitalistischen) Natur der Sache, dass die Hersteller der Software Geld verdienen wollen und die Benutzer dazu animieren möchten etwas zu kaufen, was Sie dadurch tun, dass Sie die Benutzer mit Informationen zuballern. Demzufolge werden die Hersteller sich immer den Weg offen halten, um sich ins Bewusstsein der Nutzer bringen.

Im Übrigen ist das Smartphone an sich ein Zeitfaktor, grundsätzlich dadurch, dass man es einrichten muss und sich mit den IT-Problemen rumschlagen muss, die es mit sich bringt. Weiterhin dadurch, dass man sich alle X Jahre ein neues kaufen muss, weil die Geräte ja auch nur begrenzte Zeit unterstützt werden und irgendwann gar nicht mehr nutzbar sind. Kurz gesagt: Persönlich kostet es Lebensqualität, Geld und Zeit.

Ein Basis-Smartphone das (so gut wie) nix kann

Das finde ich tatsächlich interessant. Aber ich finde es nicht einfach überhaupt erstmal zu definieren, was es denn können soll. Auf jeden Fall sollte - in meinem Sinne - kein Browser drauf sein. Bezahlen sollte man damit auf jeden Fall können - aber eine anonyme Art des Bezahlens wird es wohl eher nicht geben. Was bräuchte es wirklich für so ein Basis-Smartphone?

Ansonsten wäre so ein Gerät ja grundsätzlich auch eine Möglichkeit, dass man die die Nutzungsdauer sehr stark erhöht bekommt. Kann denn ein Smartphone nicht mal 10-20 Jahre halten, wenn es keine resourcenhungrigen Apps braucht? Vermutlich nicht, weil jeder App-Entwickler wohl die aktuellen Libraries nimmt, die wiederum aktuelle Geräte voraussetzen. Aber möglich wäre es bestimmt!

user8111
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Re: Digitalzwang und analoge Ausgrenzung

Beitrag von user8111 » 15.10.2024 08:43:07

Mal ein AI-Feedback zum "Smartphone-Phänomen":
Die Ablenkung durch Smartphones ist oft ein Symptom für tieferliegende Probleme. Viele Menschen greifen nicht aus reinem Interesse oder Bedarf zum Handy, sondern weil es eine bequeme Möglichkeit ist, unangenehme Gefühle zu vermeiden. Langeweile, Stress, Einsamkeit oder innere Unruhe sind häufige Auslöser. Das ständige Scrollen oder der Konsum von Inhalten gibt einem das Gefühl von Beschäftigung und Ablenkung, aber im Kern könnte das eigentliche Problem in einem Mangel an tieferer Zufriedenheit oder einer fehlenden Verbindung zur eigenen Umwelt liegen..
Eine Studie zum Thema:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8204720/
Die von dir zitierte Studie unterstützt die These, dass die übermäßige Nutzung von Smartphones oft nur ein Symptom tiefer liegender psychischer und sozialer Probleme ist. Sie zeigt auf, dass exzessive Smartphone-Nutzung stark mit einer Vielzahl von psychischen und emotionalen Störungen wie Depressionen, Angstzuständen, ADHS und Zwangsstörungen verbunden ist. Diese Probleme führen häufig zu Schwierigkeiten bei der emotionalen und kognitiven Regulierung, Impulsivität und sozialer Isolation. Auch wird beschrieben, dass Betroffene oft ein geringes Selbstwertgefühl, soziale Ängste und Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen haben.

Dies deckt sich mit der Idee, dass Smartphones oft als Mittel genutzt werden, um unangenehmen Gefühlen wie Langeweile oder innerer Unruhe zu entfliehen. Die Ablenkung dient dann dazu, sich kurzfristig besser zu fühlen, anstatt sich den zugrunde liegenden psychischen und emotionalen Herausforderungen zu stellen. So wird auch beschrieben, dass Nutzer von sozialen Netzwerken oft nach Bestätigung suchen und sich von der Angst, etwas zu verpassen ("FOMO"), getrieben fühlen. Diese ständige Suche nach externer Validierung verstärkt die emotionale Abhängigkeit und lenkt von den eigentlichen Problemen ab.

Die Studie deutet darauf hin, dass die übermäßige Smartphone-Nutzung eher eine Bewältigungsstrategie für zugrunde liegende emotionale oder soziale Schwierigkeiten ist und dass diese tiefere Problematik angegangen werden muss, um eine echte Verbesserung zu erzielen.

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