glatzor hat geschrieben:Es gab mal eine Zeit, da war das alles kein Problem. Es wurde (und auch heute noch) von den Verkäufern und Produzenten als legitim angesehen, dass Musik unter Freunden und Bekannten getauscht wird. Das ist es ja, was Musik als Kulturgut ausmacht. Mit Freunden und Familie gemeinsame Musik hören/machen, ein Mix-Tap für Freund oder Freundin oder tanzen.
Da widerspreche ich Dir mal ganz entschieden: Genauso, wie es heute "Copy kills Music" Initiativen gibt, gab es danals (ab Ende der 70er) "Hometaping kills Music" (hiess wirklich so!). Also waren Verkäufer und Produzenten schon immer gegen das Kopieren, auch im Familenkreis etc. Zwischen damals und heute hat sich die Technik verändert: Während das "Hometaping" noch Arbeit und Qualitätsverlust bedeutete, kann man heute innerhalb von 5 Minuten eine gleichwertige Kopie erstellen. Deshalb aber zu sagen:
Aber aus diesem Konsens haben sich die Konsumenten verabschiedet.
halte ich für sehr einseitig und falsch:
Das Wort Konsens suggeriert, dass zwischen Produzenten und Konsumenten Einigkeit herrscht, dass aber setzt vorraus, dass sich der Preis für Musik mal auf einem freien Markt gebildet hat. Davon kann aber nicht die Rede sein: Wir haben noch 5 Majors, die die Preise absprechen und diktieren. So ist der Preis für Musik trotz sinkender Produktionskosten überproportional gestiegen.
Du kannst auch nicht einfach so tun, als ob nur schlechtes produziert werden würde. Ich könnte mir dann nämlich nicht erklären, warum die Leute es dann höhren - und sogar kaufen.
Ich aber: Ich will nicht behaupten, dass nur schlechtes produziert wird, aber heute wird schneller und einfallsloser produziert. Das wird dann aber mit einem solchen (Finanz)-Aufwand vermarktet, dass es sich einfach durchsetzt (gegen das, was nicht so massiv promoted wird). Andererseits unterstützt kein Produzent mehr eine Band, wenn das erste Album floppt. Früher hiess es, man müsste erst mal 7 Jahre zusammen arbeiten, bevor man Erfolg bekommen könnte, heute "studieren" die "Superstarts" 3 Monate an der "Fame Academy".
Es ist also nicht so, dass alles erwirtschaftete Geld wieder in die Nachwuchsförderung etc geht, wie immer behauptet wird, das geht in ein aufgeblähtes Marketing und an satte Künstler, die sich dann wieder selbst kopieren.
Du greifst anscheined doch auch auf Musik von der ach so "bösen" Musikindustrie zurück. Wenn Du eben groß vermarkte und hippe Musik hören willst, dann hat das eben seinen Preis. Oder denkst Du erfolgreiche und beliebte Musik ist billig zu machen?
Ja, denke ich: Ich denke, dass zwischen "gut" und "teuer" kein Zusammenhang besteht. Und das Probllem ist doch, dass die Preisabsprchen der Majors keine andere Preisbildung mehr zulässt. Ich höre weiss Gott keinen Mainstream, aber glaub mal nicht, dass die CDs deshalb im Laden billiger wären. Obwohl sie eigentlich billiger sein müssten: Schliesslich haben sie nicht so viel in die Vermarktung gesteckt. (BTW: Warum kann ich mir dann eine CD auf einem Konzert für 10 oder 12 € kaufen, wenn sie doch die "kommerzielle" Produktion schon durchlaufen hat, also müssten die Kosten schon drin sein!?)
Es ist wohl notwendig hier von Seiten der Industrie vorzugehen. Wie soll denn sonst je ein Unrechts-/Problembewußtsein bei den Konsumenten erzeugt werden?
Will ich nicht bestreiten, dass die Industrie reagiern muss, aber warum immer mit einem repressiven Ansatz? Warum sagen sie nicht: CDs kosten 12 € (nicht 16,99€), dann würden auch wieder mehr CDs verkauft, bin ich fest von überzeugt.
Oder warum beschränken sie ihre Online-Aktivitäten auf die Bekämpfung von illegalem Downloadbörsen, anstatt endlich (!) mal ein eigenes legales Angebot vorzulegen? Ich würd gerne legal downloaden, aber das setzt einen Anbieter vorraus. Momentan gibt es in Deutschland NUR popfiles.de, und die haben, wie der Name schon sagt, nur Pop.
Ich habe aus meinen über 300 CDs blindlinks 10 ausgewählt, und alle mir bekannten legalen Online-Dienste abgeklappert. Denkst Du, ich habe einen Anbieter gefunden, bei dem ich alles finde? Ich habe ehrlich gesagt nicht mal EINEN gefunden, bei dem ich aus Deutschland runterladen und ohne Kreditkarte bezahlen könnte.
Was soll an dem schändlichen Verhalten vieler Internetnutzer denn zu rechtferigen sein? Gibt es einen Anspruch darauf hippe Musik herunterladen zu dürfen? Ich sehe den nämlich nicht.
Nein, einen Anspruch sehe ich nicht, aber schändlich (kommt von Schande) würde ich das Verhalten der Nutzer nicht nennen. Nennst Du es schändlich, wenn sich jemand nach einen heruntergefallenen Euro bückt?
Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass Musikkonsumenten je wieder zu einer quantitativen Bescheidenheit zurückkehren werden - bzw. wieder ihr Augenmerk auf Musik legen, die ihnen wirklich gefällt und nicht nur alles in rauen Mengen haben und besitzen wollen.
Genau das ist es doch, was das Hauptargument der Industrie widerlegt (zumindest IMO): Die Musik, die man sich runterläd, will man bestzen, sie ggf. gar nicht hören. Wenn ich mir mal was runterlade, dann sind das genau die Sachen, die mich nicht wirklich interessieren, zumindest nicht so, dass ich sie mir kaufen würde. Ich hätte sie mir aber auch früher, in Vor-Internet-Zeiten nicht gekauft, man muss ja Prioritäten setzen. Früher hätte ich sie mir eventuell von einem Freund tapen lassen, also nur ein kleiner Unterschied zum Brennen oder Downloaden.
Wenn ich einen Artikel aber auch früher nicht gekauft hätte und ihn heute nicht kaufe, kann das nicht die (alleinige) Ursache für den Absatzrückgang in der Musikbranche sein, oder???
Ich will hier nicht beschönigen, wenn Kids sich Sachen runtersaugen, brennen und auf dem Schulhof massenhaft verticken, aber der Durchschnitts-Nutzer fügt m. M. n. der Industrie keinen Schaden zu, das übernimmt die Industrie schon selbst.
So sieht das zumindest
Raoul
P.S.: Und dann auf der Popkomm Diskussionsrunden mit dem Motto "Können uns Bands wie "Wir sind Helden" oder "Mia" aus der Krise führen"? Genau solche Bands sind es doch, die am wenigsten gefördert werden. So eine Verlogenheit!!!