Ich publiziere hier einen Beitrag, den ich auch in meinem Blog von mir gelassen habe. Warum ich nach Grundsatzfragen gepostet habe und nicht nach Smalltalk, stellt sich im Laufe des Beitrags raus. Im Endeffekt geht es um die Qualität von Debian Lenny.
Was ist mit Debian Lenny los?
Ja, das möchte ich gerne mal wissen. Auf meinem Notebook, ca. ein Jahr alt, funktioniert mittlerweile fast nichts mehr out-of-the-box. Was vor einem 3/4 Jahr noch ootb ging, geht heute nicht mehr. Dafür aber andere Sachen.
Zur Config des Systems
Das Notebook ist ein Lenovo 3000 N200 mit einem Intel Crestline GL960-Chipsatz, einem Intel Mobile Core 2 Duo mit 1500 MHz, einer Nvidia GeForce 7300 Go mit 256 MB eigenem Speicher und einem Realtek ALC862 HD-Audio-Controller. Festplatte und DVD-Brenner sind über SATA angeschlossen. Zusätzlich noch ein Cardreader, eine Webcam und ein Fingerprintreader. Also nichts aussergewöhnliches.
Situation vor einem 3/4 Jahr
Als ich vor ca. einem 3/4 Jahr (ca. Ende Nov. 2007) zum ersten Mal Debian auf diesem Notebook installieren wollte, habe ich die Stable-Version (Etch) genommen. Schließlich sollte es ein Produktiv-System werden. Ein kurzer Test damals ergab allerdings, dass der SATA-Controller vom Etch-Setup nicht unterstützt wird. Also habe ich Lenny installiert, welches damals schon extremst stabil auf meinem Desktop lief. Bis auf W-LAN, Webcam und Fingerprintreader funktionierte alles out-of-the-box. W-LAN war kein Problem, da musste nur die Firmware her, da die propietär ist. Webcam war nach einigem probieren auch keine Sache. Fingerprintreader brauche ich eh nicht. Fazit damals: Klasse Wurf, das Lenny.
Situation heute (23. August 2008)
Mittlerweile habe ich soviel an Lenny auf dem Notebook rumgefrickelt gehabt, dass eine Neuinstallation unausweichlich war. Also habe ich heute bzw. gestern

Setup wurde gestartet und fragt mich nach 2 Minuten, ob ich denn die Firmware fürs W-LAN auzf einem externen Datenträger habe. Mitgeliefert wurde es nicht, da propietär. Ich war natürlich restlos begeistert, dass das Setup sowas direkt erledigt. Also habe ich mit die Firmware bei Intel runtergeladen und auf einen USB-Stick gepackt. Ich dachte schon, ich müsste das Setup erneut starten, damit der Stick erkannt wird, aber Hotplug scheint jetzt auch im Setup aktiv zu sein. Prima!
Das Setup lief komplett ohne Fehler durch. Jetzt war es an der Zeit, das System zum ersten Mal zu booten. Mir präsentierten sich jede Menge Fehlermeldung beim booten, u. a. konnte Lenny nichts richtiges mit meinem Prozessor anfangen (statt meinem mobilen Intel wurde mir eine Desktop-CPU erkannt) , Touchpad war ihm völlig fremd, Fehlermeldungen beim USB-Hub und beim Speicher. Mich hat fast der Schlag getroffen - diese Fehler sind vor einem 3/4 Jahr nicht aufgetreten.
Dann war das Bootsystem soweit, meine grafische Oberfläche (Xfce) zu starten. Dieses funktionierte aber nicht, da kein Screen gefunden werden konnte. Ich habe mich dann eingeloggt und mir die xorg.conf angeschaut. Diese war bei auf Keyboard und Maus leer. Beim Grafik-Device, wo jetzt eigentlich nv für den Nvidia-Treiber stehen sollte, stand nichts. Was soll das? Das ging damals auch besser - da wurde die xorg.conf automatisch bestens gefüllt, nv eingetragen. Gut, dass ich ein Backup meiner alten xorg.conf habe. Diese habe ich dann restauriert und neu gestartet. Bootmeldungen kamen wie gehabt.
Nach starten der grafischen Oberfläche (jetzt ging’s!) musste ich feststellen, dass die Auflösung absolut nicht passte. Was soll ich bitte mit 1024×768??? Die native Auflösung wurde damals korrekt erkannt und voreingestellt (1280×800) - warum heute nicht mehr?
Thema Sound: Geht nicht, ALSA kann kein Audio-Device finden. Warum nicht? Ging vor nem 3/4 Jahr doch. ALSA neu scannen lassen, wieder nix. Problem nach hinten geschoben.
Was auch nicht funktioniert, damals aber definitiv out-of-the-box funktioniert hat:
- Sondertasten (die Fn-Tasten sowie die Extratasten für Laut/Leise/Ton aus)
- Das Touchpad ist ein Synaptics, sollte eigentlich funktionieren. Tut es aber nicht. Ist in der xorg.conf eingetragen, im BIOS auch nicht ausgeschaltet.
- Prozessor-und Lüftersteuerung: Der Lüfter dreht, als wenn er die Formel Eins gewinnen möchte, der Prozessor lässt sich nicht runtertakten.
Was sagen die Alternativen?
An Linux-Distributionen getestet habe ich das aktuelle Xubuntu (8.04), openSuse 11 und CentOS 5.2. Alle drei konnten bis auf den Fingerprintreader mit allen Funktionen des Notebooks umgehen. Die Fehler, wie sie weiter oben für Lenny beschrieben wurden, sind hier nicht präsent. W-LAN, funktioniert auch ohne Firmware-Nachfrage, Grafik läuft (teilweise direkt mit dem Original-Treiber von Nvidia). Prozessor taktet automatisch nach Bedarf bzw. wie ich es will. Bootfehlermeldungen gibt es auch nicht.
Außerdem habe ich Microsoft Windows Vista HomePremium (mit SP 1) getestet. Hierfür liegt dem Notebook Lizenz bei. Das System ist schnell installiert, braucht aber extremst viel Platz auf der Festplatte. Aber darum geht es nicht. Erkannt und installiert werden ebenfalls alle Komponenten. Bis auf den Fingerprint-Reader, für den brauche ich ein Programm von Lenovo.
Fazit
Was haben die Entwickler mit Lenny angestellt, dass es in einem 3/4 Jahr von einem (fast) perfektem System zu so einem Schrott geworden ist? Selbst Vista funktioniert besser, was schon eine Ohrfeige für jeden Debianer sein sollte. Das es nicht am Gerät bzw. den Komponenten liegt, zeigt mein Vergleich mit alternativen Distributionen.
Die Qualität von Debian hat merklich nachgelassen. Ob es am neuen Debian-Release-Manager liegt, möchte ich nicht beurteilen. Wenn Debian allerdings qualitativ nicht merklich besser wird, sehe ich für den professionellen Bereich in Zukunft grau (schwarz möchte ich noch nicht sagen). Vielleicht würde eine neue Qualitätskontrolle für mehr Zufriedenheit sorgen.
Ich habe immer gerne Debian benutzt, vor allem auch wegen der Philosophie, die hinter dem System steckt. Mittlerweile stelle ich mir aber die Frage, ob ich mir nicht einen neuen Platz im Linux-Universum suchen sollte, wenn ich nicht tagelang am System basteln will.