Dr. Gerwinski führte zu Beginn der Veranstaltung in einem deutschen Vortrag in die Problematik der Softwarepatente ein und er hat es IMHO sehr gut verstanden, das Thema massenkompatibel herüberzubringen, ohne die versierteren Leute zu langweilen. Er ging am Beispiel seiner Firma darauf ein, was kleinere Softwareschmieden erwarten würde, wenn sich Softwarepatente in Zukunft etablieren würden. Auch ging er speziell auf die EU-rechtliche Situation ein, zum Beispiel, dass sich der Ministerrat komplett der demokratischen Kontrolle entzieht (Lobbyarbeit lässt grüßen). Oder dass das europäische Patentamt trotz aktueller Gesetzeslage (Software und Formeln sind nicht patentierbar) über 30.000 Softwarepatentanmeldungen entgegen nahm (ist für uns ja schon ein alter Hut), und nur EIN VIERTEL davon zu europäischen Firmen gehören. 50% gehören den USA, das verbleibende Viertel Japan. Dr. Gerwinski hat jedenfalls sehr umfassend über sämtliche Aspekte der Softwarepatente informiert. Von dem Problem, dass man sich als kleine Firma die Lizensierung dieser Patente nicht leisten kann bis hin zur Tatsache, dass es schlicht und ergreifend nicht realisierbar wäre, nach möglcihen Patentverstößen im eigenen Quellcode zu suchen, zumindest nicht ohne entsprechende Rechtsabteilung.
Stallmans Vortrag griff u.a. ein paar dieser Punkte auf und vertiefte sie. Er sprach davon, dass wir jetzt als Europäer einen kleinen Vorteil gegenüber den Vereinigten Staaten hätten, da wir keine Softwarepatente haben. Und wir sind drauf und dran diesen Vorteil zu verspielen. Er wies u.a. auf die Gefahr hin, dass Brachenriesen Verträge untereinander abschließen könnten, sich bei Patentverletzungen nicht gegenseitig zu verklagen, dafür aber bei kleinen Softwareschmieden keine Gnade zeigen.
Er hat drei Möglichkeiten aufgeführt, wie man sich legal mit Softwarepatenten zurechtzufinden könnte/müsste und welche Probleme es dabei gibt (die diese Patente als absolut sinnlos erscheinen lassen).
Punkt 1 war das normale Lizensieren. Das geht nur so lange gut, wie man sich sich das leisten kann und der Verkauf des Produkts noch genug abwirft. Oft wollen die Lizenzgeber z.B. 5% vom Verkaufspreis jedes verkauften Produktes. Wenn man 20 solcher Patente lizensieren muss bleibt nicht mehr viel übrig


Punkt 2 war das Vermeiden von patentierten Ideen, was aber selbst wenn man Full-Time Patente auswerten würde nicht wirklich zu bewerkstelligen ist.
Punkt 3 befasste sich damit, ein Patent gerichtlich für ungültig erklären zu lassen, sofern man nachweisen kann, dass jemand anderes zuvor diese Idee schon hatte. Aber das kostet Geld, eine Mange Geld, besonders wenn man einen großen Konzern vor Gericht zerren will.
Er hat auch viel über die Patentprobleme der LZW-Komprimierung berichtet und seine Bestürzung darüber ausgedrückt, dass viele das GIF-Format trotzdem weiter verwendet haben, obwohl mit PNGs (die er übrigens Pings auspricht, ich wusste gar nicht, dass die so ausgesprochen werden) durchaus Alternativen vorhanden waren.
RMS hat mit sehr aussagekäftigen Analogien gearbeitet und hat es vermieden in technische Details abzudriften. Zum Beispiel verglich er das Programmieren unter Softwarepatenten mit dem Herumtapsen in einem Minenfeld vergleichen. Es kann lange alles gut gehen bis man den falschen Schritt macht. Er gab aber eine Unstimmigkeit mit dieser Analogie zu: Eine Mine, auf die getreten wurde, ist nachher keine Gefahr mehr für andere (wie makaber), bei Softwarepatente können aber jedes mal auf's Neue Programmierer in die Falle tappen. Insgesamt war der ganze Vortag sehr locker, wozu sicher auch die humoristischen und manchmal sogar sehr bissigen Bemerkungen beigetragen haben. Es war faszinierend ihm zuzuhören.
Stallman hat sehr ruhig, langsam und äußerst deutlich gesprochen. Man konnte ihn hervorrgand verstehen. Man merkt ihm an, dass er Erfahrung mit Publikum hat, für das englisch eine Fremdsprache ist.
Lustig wurde es, als ihm zwischendurch einer der Organisatoren(?) (keine Ahnung, wer das wahr) eine Freude machen wollte und ihm etwas Mineralwasser bringen wollte: "Is this soda?" - "Yes" - "Ok, then no thanks. But thanks for trying" (sinngmäß aus dem Gedächtnis). Ein paar Miunten später kam besagter Herr dann mit einer Flasche Vittel (stlles Wasser) an (er wollte wohl nicht das RMS verdurstet), für die sich RMS dann auch höflich bedankt hat. Nur er hat die Flasche nicht aufbekommen. Der eine Typ eilte ihm zur Hilfe und er bekam die Flasche auch nicht auf. Was ein Drama


Eine Diskussion gab es aus Zeitgründen zum Schluss nicht mehr, aber er hat in der letzten Viertelstunde Souvenirs (Metallanhänger mit GNU-Symbol, richtig edel) der Free Software Foundation für 15 € verkauft, die als direkte Spende an die FSF gehen. Ich hatte noch so gerade Glück, dass ich meine 10 € in Scheinen mit Hilfe von einigen Münzen zu 15€ vervollständigen konnte. Auf meine Frage hin, ob er auch Münzen nimmt (lassen sich ja schlecht umtauschen) meinte er "Sure, what do you wanna have?" (also welche von den drei Varianten ich haben wollte). Er ist ziemlich locker drauf, sehr sympathisch.
Hier noch ein paar Fotos (leider nur Handykamera, daher bitte keine Wunder erwarten)
Der Vortrag von Dr. Gerwinski. Der Laden ist gut besucht:
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Richard M. Stallman hat sich kurz vor Ende von Dr. Gerwinskis Vortrag unauffällig in den Raum geschlichen und hat sich ganz hinten, wo ich saß (eher stand) erstmal seinen Laptop aufbaut und dran herumgewerkelt. Die Zuhörer vorne haben nichts bemerkt! Ich hab ihn dann einfach mal ganz dreist geknippst:
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Dieses Bild entstand nach dem Vortrag als er vorne die Anhänger verkauft hat. Man durfte ihm auch Fragen stellen und auf Wunsch hat er auch Bücher signiert.
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