Hm, ich glaube, dazu was erläutern zu müssen, weil es mißverständlich ausgedrückt war:
Christoph Franzen hat geschrieben: 02.01.2024 22:08:37
In einer funktionierenden Demokratie, die auch eine bleiben soll, ist die mißtrauische Grundeinstellung gegenüber der Staatsmacht kein Charakterfehler, sondern zwingend erforderlich. Die mangelnde Akzeptanz von Mißtrauen gegenüber Autoritäten ist an sich schon ein Problem, wohl damit zusammenhängend, daß außer der „offiziellen“ Staats-Konstruktion
Mit dieser „‚offiziellen‘ Staats-Konstruktion“ meine ich den institutionellen Rahmen, der in der Tat demokratisch aufgebaut ist, was man auch an den Freiheiten merkt, die vergleichsweise herrschen, dem weltweit unterdurchschnittlichen Korruptions-Niveau und vielem mehr. Dem stelle ich gegenüber den „Rest der Welt“ in den (nicht nur nominell) demokratischen Ländern:
Christoph Franzen hat geschrieben: 02.01.2024 22:08:37
gar nichts demokratisch ist. Erwerbsarbeitsverhältnisse sind Monarchien oder Diktaturen und in den Schulen und Unis predigen die Lehrenden auch nicht permanent das gesunde Mißtrauen gegen die Herrschenden, das sind sie in ihren Institutionen ja selber.
Also: schon in den Kindergärten und (Hoch)schulen sind die Lehrenden die Chefs, im Erwerbsleben sind es die Vorgesetzten und selbst in den demokratischen Parteien herrscht intern eine eher autoritäre Struktur, in der öffentlichen Verwaltung sowieso, was zu allerlei unguten Effekten führt. Das führt insbesondere
nicht dazu, daß die Leute „Demokratie besonders gut können“. Wenn es tatsächlich oder vermeintlich kriselt, gewinnen beispielsweise stets die Zulauf, welche die demokratischen Errungenschaften wieder zurückdrehen und als „Elite“ selber herrschen wollen. (Selbst in den demokratischen Parteien sind solche „Alphatierchen“ tonangebend. Stark vereinfacht: bei denen kommt ERST „herrschen“, DANN „Gemeinwohl“, bei den „Undemokraten“ halt NUR „herrschen“.)
Huo hat geschrieben: 03.01.2024 17:35:37
Hier haben Forenteilnehmer von ihren positiven Erfahrungen mit Finanzämtern berichtet. Es ist sicher legitim zu hinterfragen, wie weit sich diese Einzelerfahrungen verallgemeinern lassen.
Genau diese Verallgemeinerung haben sie aber vorgenommen und in einen Ratschlag verpackt, der eher zu Ungunsten der Beratenen wirken dürfte: singemäß nämlich, sich mit dem Online-Elster zufriedenzugeben und das Finanzamt insgesamt für eher wohlwollend zu halten.
Huo hat geschrieben: 03.01.2024 17:35:37
Als ärgerlich empfinde ich es jedoch, wenn den persönlichen Erfahrungsberichten kaum mehr als ein holzschnittartiges, wutbürgerlich verzerrtes Weltbild entgegengesetzt wird.
Weder wollte ich den Eindruck vermitteln, noch trifft er zu. Ich denke jedoch, daß die generell unkritische Haltung, die hier teils vorgetragen wurde, fehl am Platze ist, weil genau die es ist, die dafür sorgt, daß im wesentlichen alles bleibt, wie es ist oder gar schlechter wird.
Huo hat geschrieben: 03.01.2024 17:35:37
Wer meint, in einem Staat zu leben, der bloß der Fassade nach demokratisch ist, und sich dabei von Untertanengeist und Herrschsucht gleichermaßen umzingelt sieht, stilisiert sich letztlich selbst zur positiven Ausnahmeerscheinung – zur widerständigen Lichtgestalt in einer düsteren, durch und durch korrupten Welt. Eine brauchbare Basis für einen fairen demokratischen Diskurs ist das wohl eher nicht.
Der Beschweren-Bringt-Doch-Eh-Nichts-Fraktion und Ist-Doch-Eigentlich-Alles-Richtig-So-Fraktion hat hier kaum jemand widersprochen, zumindest nicht so, daß wenigstens eine Art Gleichgewicht entstanden wäre. So gibt es gar keinen wirklichen Diskurs, vielmehr entstand bei mir beim Durchlesen der bisherigen Diskussion der Eindruck, die „textmengenmäßige Mehrheitsmeinung“ hier wäre, man könne vom Staat nicht verlangen, die „Nische Linux“ zu bedienen, das sei auch kein Problem, weil die „Browser-Erklärung“ das löse und überhaupt würden einem die Finanzbeamten ja auch helfen. Die Browser-Reicht-Meinung vergleiche man bitte mit der Idee, ein richtiges E-Mail-Programm für Leute, die aus gutem Grund kein Outlook und kein Windows haben wollen, sei doch zu viel verlangt, schließlich gebe es GMX und Konsorten, wo man Mails per Browser versenden könne.