ELN hat geschrieben: 14.03.2022 20:33:46
Ich würde die Programme auch nicht an der Paketverwaltung vorbei einrichten, wenn ich wüsste, wie das geht. Was ist der Unterschied zwischen nicht und vorbei?
TLDR: Die Paketverwaltung ist die Buchführung Deines Rechners und das Herzstück eines funktionierenden Systems. Du willst nicht an ihr vorbeiarbeiten. Punkt.
Bei jedem Paket, notiert die Paketverwaltung die von dem Paket benötigten Dateien, sorgt bei Installation dafür, dass diese auch da sind (das nennt man "Auflösen der Abhängigkeiten"), gibt Dir die Möglichkeit überflüssiges loszuwerden, ohne andere Pakete zu beschädigen. Sie richtet notwendige Systemaccounts ein, konfiguriert Datenbanken für Dich, stoppt und startet Serverdienste während der Installation sollte das notwendig sein, erinnert Dich an wichtige Reboots, erstellt benötigte Templates und ist überhaupt Dein allerbester Freund. Allerdings mag das Paketmanagement es nicht, wenn man es übergeht.
Grundsätzlich kann man zwischen folgenden Zuständen unterscheiden:
1. "sauberes" System - Debian only
2. mehr oder weniger sauberes System mit mehr oder weniger überlegten Zusätzen (Backports, gute Fremdrepos)
3. vermurktes System (configure/make/makeinstall-Dreisatz, schlechte Fremdrepos)
Ein sauberes System behältst Du so: Du benutzt NUR die Paketverwaltung (apt, apt-get, dpkg, synaptic ...) für Installationen, Du hast nur die offiziellen Debianrepos und auch nur einen Zweig (z.b. bullseye) in den sourcen. Du kannst (in stable !) sicher sein, dass die Installation von B nicht heimlich A kaputtmachen wird. Alle Pakete sind darauf ausgelegt, genau zu wissen, welche anderen Programme oder Vorleistungen sie benötigen oder mit welchen anderen Paketen sie nicht zusammenarbeiten können. Zum Beispiel haben die Maintainer dafür gesorgt, dass zum Beispiel gleichlautende Programme speziell behandelt werden, Du als User also nicht vor unerwarteten/unlösbaren Problemen stehst.
Manchmal braucht man Software, die es erst in späteren Versionen von Debian gibt, da Testing und Unstable aus Sicherheitsgründen erstmal nichts auf öffentlich erreichbaren Servern verloren haben sollten und man als Anfänger gravierende Probleme noch (!) nicht alleine lösen kann, sollte man grundsätzlich erstmal den Stable Zweig bevorzugen. Da sind dann "Backports" die Lösung (und ja, das steht auch alles im Manual, und zwar besser und ausführlicher!). Man kann sagen, das ist Testing Software, aber so paketiert, dass es auch im Stable System läuft. Gibt's nicht für Alles, aber in einigen sinnvollen Fällen. Wenn man zu neue Hardware hat, dann hat man da zum Beispiel die Chance nen aktuellen Kernel zu finden. Die offiziellen Backports werden von Debian gemacht, daher gilt der Einsatz von Backports als "relativ gefahrlos" - zumindest solange man das Kleingedruckte beachtet.
Manchmal (selten) will man aber auch Software, die es bei Debian nicht gibt. Entweder weil sie Lizenz technisch nicht in Debian passt oder weil es einfach bisher niemanden in Debian gibt, der sich damit beschäftigt hat. Dann muss man sich überlegen, brauch ich das wirklich. Genau überlegen. Denn hier wird's teilweise unschön.
Installierst Du unbedarft über den "Dreisatz" (configure/make/make install) dann überschreibst Du möglicherweise (bzw. ziemlich sicher) Dateien die Debian noch braucht, mit Inhalten, mit denen Debian nichts anfangen kann ... irgendwann, in der Regel spätestens beim nächsten Versionswechsel, wird Dir das ganz übel auf die Füße fallen. Beispiel: Debian erwartet Datei xyz in Version 123, so stehts im Paketmanagement, auf der Kiste liegt dort nun aber unerwartet was komplett anderes. Mögliche Folge: Update läuft nicht durch -->kaputtes System. Andere unschöne Sache: Deinstallation ist bei viel unpaketierter Software nicht vorgesehn. Entweder bleibt unbenutzter Kram liegen, oder schlimmer, es löscht Sachen, die du noch für anderes brauchst (das Paketmanagement, hätte das verhindert, aber Du wolltest seine Hilfe ja nicht, tja, dumm gelaufen), und wenn's ganz doof läuft: kaputtes System.
Gleiches für gilt für schlechte Fremdrepos. Debian testet über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren sehr ausführlich, ob und wie, die in Debian enthaltende Software zusammenspielt (genauer tun das nicht nur die Maintainer, sondern auch die User von testing und unstable, die die unschönen Folgen direkt spüren, falls der Maintainer mal was nicht gesehen hat). In Fremdrepos gibt's das in dem Umfang nicht, ob nen Paket auf Deinem System problemlos arbeitet, kann man nicht vorhersagen. Auch sind die Pakete in Debian so gebaut, dass beim Deinstallieren bis zu nem bestimmten Grad sauber aufgeräumt wird, dass nichts gelöscht wird, was anderweitig noch gebraucht wird (oder Du zumindest ne Warnung bekommst / das nicht lauffähige Paket dann ebenfalls entfernt wird etc). Bei Fremdpaketen erlebt man es leider immer wieder, dass da was klemmt. Oder Updates blockiert werden. Usw., die Liste ist lang, weiteres dazu via Forensuche/Suchmaschine, ein wichtiger Punkt noch: jede Installation läuft mit Rootrechten, d.h. Du erlaubst Dir unbekannten Leuten den Zugriff auf Dein komplettes System, incl. aller Deiner Dateien. Sollte man im Hinterkopf behalten. Die Leute müssen ja nicht mal böse Absichten haben, nen bekannter Spielevertrieb hatte mal einen Bug, bei dem die Deinstallationsroutine unter bestimmten Bedingungen an der falschen Stelle herumgelöscht hat, da war dann mal mehr weg als geplant, incl. aller Daten in home.
Gute Fremdrepos sind solche, bei denen Du davon ausgehen kannst, dass der Repobetreiber sich sehr gut auskennt, nicht nur mit seiner Software und ner sauberen Paketierung, sondern auch in Bezug auf das Zusammenspiel mit anderen Debianpaketen. Nur sowas gibt es relativ selten. Daher mein Ratschlag: von Fremdpos lieber grundsätzlich Finger weg. Und ganz schlechte Repos sind welche, die nicht für Debian sondern für Ubuntu gemacht sind. Kann gutgehen, tut es aber fast nie, Neuinstallieren ist da praktisch garantiert. Denn Ubuntu ist nicht Debian, auch wenn beide *.deb nutzen.
Zu 2. gäbe es der Vollständigkeit halber noch anzumerken: man kann auch den Dreisatz oftmals "prefixen", das umgeht einige der genannten Schwierigkeiten, man kann auch selbst paketieren (kann man lernen, gibt auch dazu Anleitung und Doku) bzw. gibt's auch Hilfsmittel für ne Pseudopaketierung. Das weiter auszuführen sprengt hier aber den Rahmen, mit der Forensuche/Suchmaschine findest aber auch dazu genug Infos.