Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

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hikaru
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Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von hikaru » 04.09.2015 11:15:40

Hallo,

ich bin gerade über diesen Artikel bei Heise.de gestolpert:
http://www.heise.de/netze/meldung/Funkr ... 03189.html

Nun ist das überhaupt nicht mein Fachgebiet, aber es klingt für mich ziemlich dramatisch.
Kann dazu jemand einen halbwegs qualifizierten Kommentar abgeben?

(edit: Link gefixt)
Zuletzt geändert von hikaru am 04.09.2015 12:49:59, insgesamt 1-mal geändert.

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whisper
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von whisper » 04.09.2015 11:31:05

Ich bin zwar hier nicht angesprochen, weil eine fundierte Kenntnis fehlt, dennoch meine 2 Cent

Ausdrücklich ausgenommen sind
"Diese Richtlinie gilt nicht für Funkanlagen, die ausschließlich für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung, der Sicherheit des Staates einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn sich die Tätigkeiten auf Angelegenheiten der staatlichen Sicherheit beziehen, oder für die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich benutzt werden."
Da steht der Sinn und Zweck deutlich.
(Verschwörungsmodus on)
Weil man die offene Firmware Vielfalt nicht alle überwachen kann und will, dann verbietet man es dem Volk.
Somit wird es einfacher zukünftige Spähmassnahmen umzusetzen.
(Verschwörungsmodus off)
Alter ist übrigens keine Ausrede, nur Erfahrung, die sich stapelt. 😉

Sergej
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von Sergej » 04.09.2015 12:18:48

Hallo an die Gemeinschaft,

ich habe zwar Hochfrequenz- und Radartechnik studiert, bin aber gerade nicht ganz im Thema, da ich mich beruflich in Moment mit EMV und nicht mit der Entwicklung von Funktechnik auseinandersetze. Dennoch zwei Überlegungen.

1) Ich kann den Gedanken des Gesetzgebers dahinter zumindest ansatzweise nachvollziehen, denn ich kenne einige Leute, die per SW-Manipulation am WLAN-AP mehr Sendeleistung und/oder mehr Bandbreite rausholen. Störungen von anderen Funkdiensten miteingeschlossen. Man nimmt ein AP der für mehrere Länder produziert wird und gaukele ihn SW-technisch eine Konstellation vor, die du brauchst. Teilweise (wenn HW-Technisch möglich) werden zusätzlich starkbündelnde Antennen angebaut und per Software schwache vorgegaukelt.

2) Den Hinweis über die Funkamateure ganz unten im Artikel kann ich zum Teil bestätigen (bei dem Laden mache ich auch mit :) ). Diejenigen von uns, die im 6cm-Band mit umgebauten APs funken, werden wohl Schwierigkeiten haben neue Hardware zu besorgen.

Gruß
Sergej

uname
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von uname » 04.09.2015 12:44:52

Diese Richtlinie gilt nicht ... öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung, der Sicherheit des Staates einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls,
Ich hatte gedacht man würde nur auf proprietäre Software setzen und im Kriegsfall würden die USA und China einfach Deutschland oder andere Länder ins Chaos stürzen. Das lässt hoffen.

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hikaru
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von hikaru » 04.09.2015 12:57:25

whisper hat geschrieben:(Verschwörungsmodus on)
Weil man die offene Firmware Vielfalt nicht alle überwachen kann und will, dann verbietet man es dem Volk.
Somit wird es einfacher zukünftige Spähmassnahmen umzusetzen.
(Verschwörungsmodus off)
Ja, bei solchen Gedankenspielen bin ich auch ein ganz großer. ;)
Sergej hat geschrieben:2) Den Hinweis über die Funkamateure ganz unten im Artikel kann ich zum Teil bestätigen (bei dem Laden mache ich auch mit :) ). Diejenigen von uns, die im 6cm-Band mit umgebauten APs funken, werden wohl Schwierigkeiten haben neue Hardware zu besorgen.
Danke für die Einschätzung!
Und was macht ihr dann, wenn diese Regelung kommt? Insbesondere diejenigen, die sich die im Artikel angesprochene teurere Technik nicht leisten können?

Wie sieht es aus mit so Sachen wie WLAN-Chips die bisher ohne unfreie Firmware auskommen? Wäre sowas dann noch erlaubt oder kann Atheros einpacken?
Und was ist mit dem UKW-Sender in meinem Uralt-Smartphone? Dürfte sowas in Zukunft noch an Hinz und Kunz vertrieben werden?
Ist die Regelung die endgültige Festschreibung des Router-Zwangs?

Sergej
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von Sergej » 04.09.2015 15:09:47

hikaru hat geschrieben: Und was macht ihr dann, wenn diese Regelung kommt? Insbesondere diejenigen, die sich die im Artikel angesprochene teurere Technik nicht leisten können?
Dazu werde ich bei Gelegenheit meine Funker-Kollegen befragen müssen. Denn selber verwende ich diese Technik nicht. Aber so wie ich den Artikel deute, wird es nur neue Geräte betreffen. Stichwort Bestandsschutz. Das mit "teureren Technik" wird davon abhängen, um wie viel teurer wird es denn? Weil die APs (reine APs, ohne Router dran), die man zum Funken umbauen kann, sind bereits nicht billig. Wie ich informiert bin kosten die Teile schon knapp 300€ bis 400€ (Wenn jemand mitliest, der sich mit HamNet auseinandersetzt, so möge er mich bitte korrigieren). Ich glaube nicht, dass der Sprung nach oben stark wird und lange andauert. Hier spiele ich mal Optimist :) und sage, solange es mehr als einen/zwei Hersteller gibt, auch wenn die beide proprietäre Lösungen vertreiben, werden die sich im Preis gegenseitig drücken. Auch wenn vielleicht nicht so schnell, wie wenn eine freie Lösung dabei ist. Die wollen schließlich ihr Zeug verkaufen und dabei wird bei allen Herstellern der Preis so knapp angesetzt, wie es nur geht.

Zur Not schwenken wir zu etwas anderen um. Wir sind flexibel und haben viele schlaue Köpfe unter uns. :)
hikaru hat geschrieben:Wie sieht es aus mit so Sachen wie WLAN-Chips die bisher ohne unfreie Firmware auskommen? Wäre sowas dann noch erlaubt oder kann Atheros einpacken?
Und was ist mit dem UKW-Sender in meinem Uralt-Smartphone? Dürfte sowas in Zukunft noch an Hinz und Kunz vertrieben werden?
Ist die Regelung die endgültige Festschreibung des Router-Zwangs?
Da bin ich überfragt. :? Ich werde mir die Tage mal die erwähnte Richtlinie mal reinziehen. Vielleicht bin ich dann schlauer und kann dir die Fragen beantworten. Und generell interessiert mich, wie der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie mit dem Amateurfunkgesetz/-verordnung in Übereinstimmung bringen will. Da sehe ich eine Kollision.

Was meinst du unter "Router-Zwang"?

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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von Sergej » 05.09.2015 16:25:44

Also, ich habe mir mal die besagte 2014/53/EU durchgelesen. Ich spiele mal wieder Optimist und sage, ich sehe da nichts schlimmes dran. Diese Richtlinie lässt (mal wieder) einiges an Interpretationsspielraum und wie man es „handwerklich“ umsetzt ist auch so eine Sache. Ich glaube nicht, dass der "worst case" eintritt.

Die unterschiedliche Funkdienste sind im Frequenzspektrum ziemlich dicht beieinander. Dazu haben unterschiedliche Länder abweichende Vorschriften was Frequenznutzung betrifft. Da sind gegenseitige Störungen fast vorprogrammiert. Diese Richtlinie setzt nur eine Art Spielregeln aufm Frequenzband auf:
Funkanlagen müssen so gebaut sein, dass sowohl eine effektive Nutzung von Funkfrequenzen erfolgt als auch eine Unterstützung zu effizienten Nutzung von Funkfrequenzen gegeben ist, damit keine funktechnische Störungen auftreten.
Und heutzutage, wo in fast jeder Haustürklingel Firmware drin steckt, kann man so eine Aufgabe nicht angehen, ohne die Softwarethema anzufassen. Die Richtlinie ist sowieso nicht komplett neu, sonder eine upgrade von einer alten Funkanlagenrichtlinie. In meinen Augen ist die Sache nur eine Spektrumangelegenheit. Und öffentliche Sicherheit + Verteidigung ist ausgenommen. Siehe Posts von whisper und uname weiter oben.

Klar, man kann Formulierungen wie:
...bestimmte Funktionen, mit denen sichergestellt werden soll, dass nur solche Software geladen werden kann, für die die Konformität ihrer Kombination mit der Funkanlage nachgewiesen wurde.
dazu verwenden, freie Software auszusperren, aber lass einen Hersteller wie Atheros kommen der sagt: „Wir haben unseren Chip mit SW a,b,c,d und e ausprobiert und es war von Frequenzspektrum Ok.“. Oder: „Wir haben einen feste Begrenzung eingebaut. Egal was die freie FW / Treiber mach, der Sender mach keinen Blödsinn aufm Spektrum.“ Dann ist man mit der Richtlinie wieder im Lot. Das dürfte theoretisch möglich sein.

Für die Funker-Kollegen sehe auch keine große Probleme. So wie ich informiert bin, ein Hersteller bittet jetzt schon getestete SW an, mit der man aus einem 5 GHz WLAN-AP einen 6 cm-Band „Funkgerät“ macht. Zu Not wird diese extra Software als amateurfunktechnische Umbau deklariert. AFU-Bausätze, -Umbau und -Selbstbau sind von der Richtlinie ausgenommen.

Und so wie es aussieht, gibt es Bestandschutz für die alte Sachen.
hikaru hat geschrieben:Und was ist mit dem UKW-Sender in meinem Uralt-Smartphone? Dürfte sowas in Zukunft noch an Hinz und Kunz vertrieben werden?
So wie ich es deute, solange man die Paar nW, die so ein UKW-Sender macht, nicht aufbohren kann, wird man die vertreiben dürfen.

So, Freunde.Schönes Wochenende! :)

inne
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von inne » 05.09.2015 18:43:29

Ich misch mich mal mit einem Beitrag hier dazwischen.

EU Recht muss Deutschland ja nicht übernehmen. Soweit ich weiss können die EU Mitgliedsstaaten die Regel selbst bestimmen.

Zum anderen hoffe ich, sollte das WLAN dann wegfallen zumindest f. LAN weiterhin DD-WRT erhalten bleibt und auch dass das freifunk-Projekt nicht dadurch kaputt gemacht wird. Gerade das freifunk VPN will ich nicht mehr missen. Das kann zur Not auch via LAN erreicht werden.

Sergej
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Re: Heise: Funkregulierung: Angriff auf alternative Software

Beitrag von Sergej » 06.09.2015 10:05:37

Guten Morgen
inne hat geschrieben:EU Recht muss Deutschland ja nicht übernehmen. Soweit ich weiss können die EU Mitgliedsstaaten die Regel selbst bestimmen.
Das hängt davon ab, wie unsere Regierung den Artikel 288 von AEUV auslegt:
Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.
Wenn die Regierung sagt, dass die jetzigen Regel ausreichen, um das Ziel der Richtlinie zu erfüllen, dann passiert gar nichts.

Gruß

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